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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ein
Bengel war und sich draußen auf den Kais rumgetrieben hat.«
    Wahrscheinlich in Erwartung einer
Schiffsladung Maschinenpistolen, dachte ich. Es gab keinen Weg herauszufinden,
ob Suits sich tatsächlich mit Tso in Verbindung gesetzt hatte, denn selbst wenn
der Waffen-Dealer mit mir reden würde — was sehr zu bezweifeln war — , würde er
nie irgendwelche geschäftlichen Details preisgeben. Es sei denn...
    »Carmen«, sagte ich, »können Sie für
mich ein Treffen mit Tso arrangieren?«
    »Sie wollen ihn fragen, was T. J.
gekauft hat? Er wird Ihnen garantiert nichts sagen.«
    »Ich möchte ihn trotzdem fragen.«
    »Na ja, ich kann’s versuchen. Rufen Sie
mich später noch mal an, dann sage ich Ihnen, was Tso gesagt hat.«
    Die Serviererin rief etwas aus dem
hinteren Raum; es gab irgendwelche Probleme mit der Bierlieferung. Carmen stand
auf. »Moment«, sagte ich. »Eine Frage noch. Dieser Mann, der den Hafen von
früher kennt — der, von dem T. J. gesagt hat, daß er mit ihm geredet hätte,
damals in der Nacht, als er so betrunken war und schließlich in der Bay
gelandet ist —, wissen Sie, wer das ist?«
    »So ein alter Kauz, der in seinem Bus
wohnt und damit die Hafengegend rauf- und runterzieht. Kennt alle Plätze, wo er
nachts stehen kann, und fährt immer wieder woanders hin, damit ihn die Polizei
in Ruhe läßt. Muß ein interessanter Bursche sein. War mal Kapitän auf einem
Matson-Liner und lebt von seinen Geschichten.«
    »Wissen Sie, wie er heißt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Und der Bus — haben Sie den schon mal
gesehen?«
    »Weiß, ziemlich neu.« Er zuckte die
Achseln. »Aber bei den vielen Marken und Modellen heutzutage kann ich’s Ihnen
nicht genauer sagen.«
     
    Ich fuhr die Hafengegend mehrmals ab,
vom Fährhafengebäude bis Islais Creek, konnte aber keinen neueren weißen Bus
entdecken, in dem jemand saß, der im entferntesten wie ein alter Seebär aussah.
In der Nähe des Mission Rock Terminal, auf einem unkrautüberwucherten freien
Stück bei einem verkohlten Pier standen mehrere alte Fahrzeuge, die bewohnt
schienen. Ich steuerte den MG dort hinüber, rumpelte über die rostigen Schienen
der eingegangenen Belt-Railway-Gesellschaft. Eine Frau schlief auf den
Vordersitzen einer alten Limousine, zwischen Kartons und Taschen voller
Habseligkeiten, und gleich daneben spielten zwei kleine Kinder im Dreck. Dieser
Ort erinnerte mich an die Hobo-Camps, die während der Weltwirtschaftskrise aus
dem Boden geschossen waren — und jetzt wieder auftauchten, in dieser Zeit, die
niemand Wirtschaftskrise nennen mochte.
    Ich schaute mich um und sah ein
Männertrio jenseits des Maschendrahtzauns und des Warnschilds auf dem Pier-Wrack
sitzen und angeln. Ein Stück Zaun war niedergerissen und plattgetrampelt; ich
ging zu der Stelle und stieg hinüber. Die Männer sahen zu mir herüber und
wandten dann ihre Aufmerksamkeit wieder ihren Angelschnüren zu.
    Als ich mich jedoch über den
gesprungenen Beton und den Schutt weitertastete, veränderte sich die Haltung
der Männer kaum merklich. Sie sahen wieder zur mir herüber, nicht feindselig —
soweit war es noch nicht —, sondern wachsam. Dann wechselten sie ein paar
Blicke unter sich, und einer von ihnen stand auf und reichte seine Angelrute
dem Nebensitzer. Als ich den Beginn des halbzerfallenen Plankenstegs erreichte,
trat er mir entgegen, die Arme locker an den Seiten. Er war groß — etwa
einsneunzig —, und das dunkle Braun seiner linken Wange durchzog eine lange,
zerklüftete Narbe. Er sah mir in die Augen, kalt und unnachgiebig.
    »Lady«, sagte er, »hier draußen könnten
Sie sich was tun.«
    »Ich will nicht weiter.« Ich deutete
auf das Wasser. »Haben Sie was gefangen?«
    Er zögerte, sah zu seinen sitzenden
Kumpanen hinüber, die uns schweigend beobachteten. »Nur paar Klumfische. Reicht
gerade fürs Abendessen.«
    Ich deutete mit einer Kopfbewegung auf
die Unkrautwiese hinter mir. »Wohnen Sie da?«
    »Wollen Sie uns verscheuchen oder was?«
Einer der anderen Männer lachte höhnisch; der Sprecher sah ihn finster an.
    »Von mir aus können Sie gern da
bleiben.«
    »Was wollen Sie dann?«
    »Ich suche jemanden — einen alten Mann,
der hier mit einem relativ neuen weißen Bus herumzieht. War früher mal Kapitän
auf einem Matson-Liner —«
    »Was wollen Sie von Cap?«
    »Ich habe gehört, er erzählt tolle
Geschichten.«
    »O Mann, was Sie nicht sagen.« Er sah
zu seinen Kumpels hinüber und lachte. »Ist denn schon wieder
Wohltätigkeitswoche

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