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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Unterlagen aus meiner Aktenmappe zu brüten? Zurück zu
Suite C fahren und ein luxuriöses Bad in der gigantischen Massagewanne nehmen?
Zurück zu Suite C fahren und die erlesenen Weine einer eingehenden Probe
unterziehen? Die beiden letzteren Gedanken waren verlockend — aber eindeutig
deplaciert. Es mußte doch etwas... Das Telefon summte. Ich nahm ab. Mick.
    »Eben hat eine Krankenschwester aus dem
Uni-Klinikzentrum angerufen«, sagte er. »Noah Romanchek liegt auf der
Intensivstation und will dich sehen.«
    »Was hat er denn?« Visionen von einer
gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Suits und dem Anwalt blitzten vor
meinem geistigen Auge auf.
    »Herzinfarkt. So, wie die Schwester
geredet hat, ist es wohl ziemlich ernst. Sie hat gesagt, du sollst dich beeilen.«
     
    Ich beeilte mich. Raste über die Van
Ness zur Fell Street, dann ein kurzes Stück durch den Golden Gate Park, vorbei
am Kezar Stadion, zur Arguello Street, wo ich den MG in Willy Wheelans Einfahrt
stehen ließ. Raes Ex-Lover besaß eine edwardianische Villa von 1904, nur ein
kurzes Stück vom Parkplatz des Klinikzentrums entfernt; es war besser, den MG
hier abzustellen, als mich durch den Rush-Hour-Verkehr auf Parnassus Heights zu
quälen. Ich schrieb Willie ein Zettelchen, klemmte es unter den Scheibenwischer
und steckte die Ersatzschlüssel durch seinen Briefschlitz, für den Fall, daß er
den Wagen wegfahren mußte. Dann rannte ich bergauf zu der Tiefgarage an der
Frederick Street, nahm den Lift bis in Höhe des Parnassus-Ausgangs und fragte
mich — mit Hilfe einiger freundlicher Zeitgenossen — zur Intensivstation durch.
    Romanchek lag in einem Einbettzimmer,
den rechten Arm an einen Tropf, den linken an einen Herzmonitor angeschlossen.
Sein Gesicht war grau und noch totenschädelähnlicher, als ich es in Erinnerung
hatte, und ich realisierte mit Erstaunen, daß ich zwar schon oft mit ihm
telefoniert, ihn aber erst zweimal gesehen hatte — einmal an meinem Küchentisch
und einmal in seinem Büro bei der GGL. Seine Augen waren geschlossen, als ich
eintrat, aber als ich zwei Meter vor seinem Bett zögernd stehenblieb, schlug er
sie auf.
    Er sagte mühsam: »Danke, daß Sie
gekommen sind.«
    »Wie geht es Ihnen?«
    »Hat mich... bös erwischt.« Sein Mund
zuckte. »Der Monitor. Herz geht unregelmäßig. Werden Sie wegschicken. Wir
müssen... schnell... reden.«
    »Okay.« Ich trat dichter heran und
wartete.
    »Habe nachgedacht... warum alles
passiert ist. Auf der Farm...«
    »Garberville?«
    »War T. J.s erster Fehler. Anna hat...
ihn nie geliebt... Aber er war... besessen.«
    »Von Anna?«
    Er nickte. »Gefährlich... immer am
Brüten. Monora... zweiter Fehler. T. J. hat nicht mitgekriegt...«
    »Was?«
    Romanchek antwortete nicht; seine
Kräfte ließen nach, sein Atem ging stockend.
    Ich sagte: »Meinen Sie die Bodine-Sache?
Ich bin dahintergekommen, daß Bodine in Lost Hope war, weil er es auf T. J.
abgesehen hatte.«
    »Nein... Anna.«
    »Er hatte es auf Anna abgesehen, und da
—«
    »Er hätte... alles für sie getan. Kam
zu ihm zurück. Verließ ihn. In Lost Hope... hat er wohl... beschlossen —«
    Eine Schwester kam herein, sah mich, guckte
böse und sagte: »Raus.«
    Ich drückte mich rückwärts aus dem
Zimmer, den Blick immer noch auf Romanchek gerichtet. Er war jetzt noch grauer,
der Mund weiß. Seine Augen folgten mir flackernd; er schien um die Kraft zu
ringen, zu Ende zu sprechen. Eine zweite Schwester stürzte ins Zimmer, dann ein
Arzt. Romancheks Herzmonitor mußte draußen im Stationszimmer Alarm gegeben
haben. Sie schlossen die Tür, und ein Pfleger verwies mich in den Warteflur.
    Ich ging dorthin und setzte mich. Außer
mir war niemand da, aber der Fernseher lief. Ich starrte abwesend auf das Ende
einer Wiederholungsfolge von ›Matlock‹. Fragte mich, was zum Teufel ich
eigentlich tat, und stellte die Kiste ab. Ging dann noch einmal mein Gespräch
mit Romanchek durch und versuchte, irgendeinen Sinn hineinzubringen.
    Anna hatte Suits nie geliebt? Na ja,
anfangs vielleicht nicht, aber später? An ihrem letzten Abend? Am Tag ihres
Todes? Ich hätte schwören können...
    »Gefährlich... immer am Brüten.« Wer
von ihnen war immer am Brüten gewesen? Suits? Das sah ihm gar nicht ähnlich.
Dann schon eher Anna, die mir gesagt hatte, sie sei kein fröhlicher Mensch.
Aber was war daran gefährlich gewesen?
    Suits hatte nicht mitgekriegt, daß
Bodine in eine Falle gelockt werden sollte? Sehr unwahrscheinlich, nach allem,
was

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