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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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um den Oberkörper schlang. »Haben Sie ihn danach
gefragt?«
    »Ich hätte doch keine offene Antwort
gekriegt. Und vielleicht hätte es sogar unser Verhältnis zerstört.«
    Annas Gesicht war jetzt blaß, ihr Blick
nach innen gekehrt. Schließlich sagte sie tonlos: »Nein, ich habe keine Ahnung,
worauf sich das beziehen könnte.«
    Vielleicht verstand sie die Bedeutung
nicht ganz, aber ich war mir sicher, daß es bei ihr an irgend etwas gerührt
hatte. Bevor ich weiterfragen konnte, verließ sie die Höhle und ging zum Wasser
hinunter.
    Ich folgte ihr, aber das Thema war
offensichtlich beendet. Sobald ich sie eingeholt hatte, begann sie darauflos zu
plaudern; mit einem Geschick, das ihr Mann bewundert hätte, versuchte sie mich
durch Geschichten von Schmugglern und Schiffswracks abzulenken. Im Gehen
überkam mich wieder dieses Gefühl, heimlich beobachtet zu werden. Ich suchte
den Strand und die Klippen ab, konnte aber niemanden entdecken.
     
    Als Anna und ich zum Moonshine House
zurückkamen, stand der JetRanger auf einem flachen, kahlen Stück in der Nähe
des Klippenrands. Suits empfing uns auf halber Höhe des Hangs, faßte mich um
die Schultern, drehte mich ein Stück um meine Achse, zeigte auf das
Gästehäuschen und sagte: »Pack deine Sachen zusammen.«
    »Was ist?« fragte ich.
    »Probleme. Wir müssen zurück in die Bay
Area. Wir treffen uns beim Helikopter.«
    »Suits —«
    Er war schon auf dem Weg zum Haus.
    Ich sah Anna an. Ihre Lippen waren ganz
schmal und ihre Augen düster. Sie sah mich achselzuckend an und ging in
Richtung Gästehäuschen.
    Ich blieb stehen, und mein Zorn auf
Suits schwappte auch auf sie über. Was zum Teufel war mit ihr los? Sie
protestierte nicht, fragte nicht mal nach dem Grund für seine plötzliche
Abreise! Einen Augenblick später folgte ich ihr, um wortlos meine Sachen
zusammenzusuchen.
    Als ich den Reißverschluß meiner
Reisetasche zuzog, sah ich Anna durch das Fenster aufs Meer hinausstarren, die
Arme unter dem Cape um den Oberkörper geschlungen. Sie drehte sich um — die
Mundwinkel hängend, der Blick leer — und mein Ärger verpuffte. Ich berührte sie
an der Schulter. »Ich kann Ihnen doch noch eben helfen, das Bett abzuziehen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das mache
ich, wenn Sie weg sind. Ich erwarte eine junge Freundin aus dem Reservat —
Franny Silva, die Frau, die dieses Cape gewebt hat. Ich kann das Häuschen
gleich für sie herrichten, dann habe ich wenigstens etwas zu tun.«
    Als wir zum Haupthaus zurückkamen,
wartete Suits schon in dem Verbindungsgang. Er sah abgespannt aus. Er drückte
mir meine Aktenmappe in die Hand und flüsterte Anna ein paar bedauernde Worte
zu, während er sie flüchtig umarmte. Dann eilte er hinaus, wobei er mir winkte,
ihm zu folgen.
    Ich zog den geborgten Parka aus, nahm
meinen eigenen von dem Kleiderständer in der Diele und wandte mich Anna zu, um
mich zu bedanken. Sie umarmte mich und legte mir dann ihr wunderschönes,
handgewebtes Cape um.
    »Anna, das kann ich nicht —«
    »Ich will, daß Sie es nehmen. Es
bedeutet mir viel, und Sie auch. Irgendwie kommt es mir vor, als wären wir
Schwestern. Und jetzt entschuldigen Sie bitte, wenn ich nicht noch mit
rauskomme.«
    Ich umarmte sie meinerseits, zog mir die
Kapuze des Capes über den Kopf, damit sie sehen konnte, wie es mir stand, und
rannte dann hinter Suits her. Er und Josh hatten es eilig loszukommen; sie
hievten mich rasch an Bord. Als ich den Kopfhörer aufhatte, schaute ich noch
einmal aus dem Fenster zu dem Gewächshaus-Teil hinüber, aber von Anna war
nichts mehr zu sehen.
    Als der Helikopter abhob, fragte ich
Suits: » Was ist passiert?«
    Er zögerte kurz, ehe er antwortete.
»Carole Lattimer. Ein Raubüberfall. Jemand hat auf sie eingeschlagen, in der
Garage gegenüber von unserem Bürogebäude, wo sie ihr Auto stehen hat.«
    »Aber sie lebt?«
    »Knapp. Wir wissen noch nicht, wie
schwer ihre Verletzungen sind.«
    »Wann ist das passiert?«
    »Heute im Laufe des Nachmittags. Noah —
er ist dort in der Klinik — Noah sagt, sie fürchten, daß das Gehirn geschädigt
ist.« Suits sackte in seinem Sitz zusammen, das Kinn auf dem Schlüsselbein.
»Die Polizei... sie sagen, das ist die Gegend. Sie hätte vorsichtiger sein
sollen. Sie sagen... ach, zum Teufel! Ich weiß, daß da mehr dahintersteckt.«
    »Das ist aber nicht sicher.«
    »Doch. Es ist nur die Fortsetzung.« Er
legte sich die Hand über die Augen. Als er weitersprach, war seine Stimme
heiser vor Erregung.

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