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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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»Sherry-O, das ist zuviel. Das ist einfach zuviel. Diese verdammten Schlächter sollen mit mir machen, was sie wollen, aber wieso
müssen sie sich an meinen Leuten vergreifen?«
     
    Später am selben Abend sollte uns die
Polizei von Mendocino County mitteilen, daß wir wohl gerade die Küstenberge
überflogen hatten, als eine Explosion das Moonshine-House und alles, was sich
darin befand, zerriß.

Strichprobe
28.
September
     
     
    Schwarzer Rauch, der aus einem wirren
Haufen von Holz und Stein quillt. Am Rand orangerot züngelnde Flammen.
Feuerwehrleute, die wie erschrockene Insekten durcheinanderwimmeln, Schlauchspuren
auf der versengten Vegetation hinterlassen.
    Wind, der den Rauch emporbläst, den
Hubschrauber beutelt, Josh, der so haltlos heult, daß er es kaum schafft zu
landen.
    Suits’ Hand in meiner — schlaff wie ein
totes kleines Tier. Sein Gesicht starr wie eine Gipsmaske und genauso fragil.
Seine Augen... nein, ich kann ihm nicht in die Augen sehen.
    Heiße Tränen. Wessen? Meine. Brennende
Spuren auf meinem Gesicht.
    Suits konnte es nicht glauben, als uns
die Polizisten auf dem Dach des Gebäudes in Empfang nahmen, üm es uns
mitzuteilen. Bestand darauf, sofort zurückzufliegen. Jetzt glaubt er es.
Schluchzen in meiner Kehle. Ich glaube es auch.
    Dicht über dem Boden jetzt. Noch
dichter. Sicht gleich null. Ein harter Ruck. Tür geht auf, Rauch quillt herein.
Dringt mir in die Lunge, daß ich keine Luft mehr kriege. Und der Geruch...
    Von unzähligen Dingen, alle verbrannt,
zerborsten, zerfetzt, zerstört. Und ganz schwach der Geruch von verkohltem
Menschenfleisch — Es schnürt mir die Kehle zu. Ich will schreien, aber es kommt
nichts heraus. Ich presse stärker, und jetzt kommt der Schrei — rauh, heiser.
Und ich falle — Arme fangen mich auf, halten mich fest. Eine Stimme, Hy. Er
sagt immer wieder: »Nein, McCone, nein...«
     
    Als ich mich aus dem herausgekämpft
hatte, was mehr Erinnerung als Alptraum war, erklärte ich Hy, daß ich ein
bißchen frische Luft bräuchte. Der September war heiß hier draußen in den
Wüstenbergen. Hys Ranch hatte seit Juli leergestanden. Vielleicht war es ja die
stickige Hitze, die bei mir Flammen und Rauch evoziert hatte.
    Wem versuchte ich das einzureden? Der
Alptraum hatte mich auch in der kühlen, nebelfeuchten Luft von San Francisco
fast täglich heimgesucht.
    Wir zogen uns an und gingen hinaus ins
Morgengrauen. Schafe lagerten dicht gedrängt in ihrem Pferch; sie wurden
unruhig, als wir an ihnen vorbeikamen. Hy ging voraus, über unebenes,
beifußgetüpfeltes Terrain zu einem Hain von goldblättrigen Pappeln. Ein
ausgetrocknetes Bachbett schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch; wir
überquerten es auf abgetretenen Steinen. Jenseits des Wäldchens fiel das
Gelände schroff zu der vulkanischen Ebene ab, in die der Lake Tufa eingebettet
war. Als wir mit baumelnden Beinen auf der Felskante saßen, sah ich die
Landebahnlichter des nahegelegenen Flugplatzes von Vernon grün blinken. Hy
sagte: »Kann doch nicht daran liegen, daß du heute neununddreißig wirst.«
    »Nein.«
    »Und es kann doch auch nicht nur daher
kommen, daß deine Freundin Anna umgebracht wurde. So lange hast du sie nun auch
wieder nicht gekannt, und außerdem hast du schon Schlimmeres überstanden.«
    »Du meinst, besser überstanden als das
hier.«
    »Genau. Dein Freund Suits —«
    »Ist ein Granatenarschloch ! Ich hasse ihn!«
    Die Heftigkeit meiner Reaktion
überraschte uns beide. Hy runzelte die Stirn und wartete ab. Als nichts mehr
kam, sagte er: »Laß es raus, McCone.«
    Meine Finger krallten sich ineinander.
Ich senkte den Kopf. Bisher hatte ich noch nicht über mehr reden können als
über die äußeren Einzelheiten der Explosion. Schon gar nicht über meine
Gefühle. Diese Gefühle, die nur nachts hervorkrochen, in meinen Träumen.
Ansonsten waren sie so tief vergraben wie die wenigen Fragmente, die man von
Anna noch gefunden hatte. Wer mich mit meinen Klienten verhandeln, Leute
befragen oder Mick Instruktionen erteilen sah, wäre nie darauf gekommen, daß
nur ein Teil von mir anwesend war — während sich der größere Teil dort draußen
im Rauch und im Geruch von Bootleggers Cove aufgelöst hatte.
    Ich dachte an die vielen Dinge, von
denen ich Hy nichts erzählt hatte: das gerahmte Foto von Anna und Suits, das
ich in der Nähe des Landeplatzes gefunden hatte, wie durch ein Wunder
unversehrt. Joshs gepeinigten Aufschrei, als er es in meinen Händen entdeckt
hatte. Die

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