Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
bleiben.«
    »Dann sind Sie also damit zufrieden,
wie sich Lost Hope verändert hat?«
    »Na klar. Ich weiß, es ist ein ziemlich
billiger Rummel, aber Sie hätten es mal vorher sehen müssen.«
    »Wie sehen es denn die Einheimischen?«
    »Die Geschäftsleute sind zufrieden.«
    »Und die anderen?«
    »Na ja, es gibt immer Leute, die sich
gegen den Fortschritt stemmen.«
    »Denken Sie da an jemand speziellen?«
    Er zögerte. »Miss McCone, was genau
wollen Sie hier?«
    »Ich bin eine alte Freundin von T. J.
Ich war auch mit seiner Frau befreundet, obwohl ich sie nur kurz kannte. T. J.
hat mich letzten Sommer angeheuert, weil jemand versuchte, ein
Sanierungsprojekt zu sabotieren, das er derzeit in San Francisco durchführt.
Was passiert ist, scheint aber mit dieser Sache selbst wenig zu tun zu haben,
also haben wir seine früheren Turnarounds unter die Lupe genommen und Lost Hope
als einen möglichen Problempunkt herausgesiebt.«
    »Hatte Anna Gordons Tod mit dieser
Sabotagegeschichte zu tun?«
    »Ich denke schon. Und warum ich hier
bin: Ich möchte... nein, ich muß herausfinden, wer sie umgebracht hat.«
    »Tja, das kann ich verstehen. Sie war
eine großartige Frau.«
    »Sie kannten sie auch?«
    »Klar. Sie hat T. J. zwei Wochen hier
besucht, kurz bevor er wieder weggegangen ist.«
    Warum hatte Anna mir nichts davon
gesagt? Vergessen? Nein — absichtlich unterschlagen. »Was ist Ihnen von ihrem
Besuch noch in Erinnerung?«
    Er sagte achselzuckend: »Nicht viel.
Sie war mir sympathisch. Sie schienen sich gut zu amüsieren. Wir hatten ein
paar nette Abende zusammen.«
    »Fällt Ihnen jemand ein, der mir da
noch mehr erzählen könnte?«
    »Sie könnten es bei Brenda Walker
versuchen, drüben im Laden für indianisches Kunsthandwerk. Sie und Anna haben
sich auf Anhieb verstanden und sich öfters besucht. Brenda hat dann sogar
Sachen aus Annas Reservat in Kommission genommen. Sind rasant weggegangen, hat
sie gesagt.«
    »Ist der Laden jetzt noch offen?«
    McNear grinste. »Keine kommerzielle
Einrichtung hier in Lost Hope wird jemals früh schließen.«
     
    Der Laden für indianisches
Kunsthandwerk hatte ein ziemlich buntzusammengewürfeltes Sortiment:
Zuni-Keramik, Navajo-Webprodukte, Hopi-Kachinas, Perlenstickerei und
Federschmuck von verschiedenen Präriestämmen, ja, sogar Eskimo-Schnitzereien.
Eine kleine, rundliche Frau mit kurzgeschorenem grauem Haar, die wohl Brenda
Walker sein mußte, half gerade einer Kundin, ihre Wahl unter einer ganzen
Palette von Silberohrringen zu treffen. Ich stöberte ein bißchen herum und
blieb schließlich vor einem Ständer mit Shoshone-Korbflechterei stehen.
    In letzter Zeit hatte ich eine gewisse
Neugier entwickelt, was meine Shoshone-Urgroßmutter, Mary McCone, betraf — kein
Wunder, war ich doch die einzige in der Familie, bei der sich das eine Achtel
indianisches Blut äußerlich niederschlug. Ich hatte einiges über die Shoshone
gelesen und dabei erfahren, daß sie zu den vielen Präriestämmen gehören und
heute vom Wind River Reservat in West-Wyoming über Siedlungen in Idaho bis hin
zu kleinen Enklaven in Nevada verstreut sind. Ihr Ruf als friedliebendes Volk
beruht vor allem darauf, daß sie den Weißen Mann mit offenen Armen willkommen
hießen — weniger aus Zuneigung zu ihren euro-amerikanischen Brüdern, als
vielmehr aus Haß auf die Sioux. Der Weiße Mann belohnte sie dafür mit rund 180 000
Quadratkilometern Land in Wyoming, Utah, Idaho und Colorado, erkannte dann aber
den Wert dieses Landes und machte sich daran, es ihnen wieder wegzunehmen. Die
Shoshone mußten sich schließlich das Wind River-Gebiet mit einem anderen
Erzfeind teilen, den Arapahoe — von allen Stammesmitgliedern nur die
»Hund-Esser« genannt. Die Arapahoe würdigen ihre Reservats-Mitbewohner gar
nicht erst eines Namens, sondern bezeichnen sie nur naserümpfend als
»Nicht-Indianer«.
    Ich hatte viele amüsante Geschichten
über das ungleiche Stammes-Gespann im Wind River-Reservat gelesen, aber keine
davon hatte mir das erzählt, was ich wissen wollte. Zum Beispiel, was die
sechzehnjährige Mary in Flaggstaff, Arizona, gemacht hatte, als mein
Urgroßvater Robert McCone 1888 auf dem Weg von Virginia in den Westen dort
vorbeigekommen war. Oder was sie veranlaßte, sich mit einem viel älteren Weißen
schottisch-irischer Abstammung einzulassen und ihrem Volk für immer den Rücken
zu kehren. Ich fragte mich, wie ihr Leben als indianische Frau eines weißen
Mannes im Kalifornien der Jahrhundertwende

Weitere Kostenlose Bücher