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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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vierstöckige Granitbau am anderen
Ende der Hauptstraße: keine Neonschrift, keine Werbetransparente für
Pauschalpreis-Buffets. Ein Portier in konservativer Livree empfing mich und
rief einen Parkplatzwächter und einen Pagen herbei. Die Halle war geschmackvoll
restauriert, in dunklem Holz und Messing; der Empfangstresen und die
Schlüsselfächer wirkten original. Zur Linken erspähte ich eine altmodische Bar;
von rechts kam aus einem Nachbarraum das vertraute Gedudel elektronischer
Spielautomaten.
    Bei der Anmeldung fragte ich, ob Faxe
für mich eingetroffen seien. Sie waren da — Kopien meiner Notizen zu Suits’
Turnaround-Akten, die zu schicken ich Mick gebeten hatte, als ich telefonisch
nachgefragt hatte, wie es im Büro lief. Als der Mann am Empfang sie mir über
den Tresen reichte, schloß ich aus seinem neugierigen Blick, daß er sie wohl
zumindest überflogen hatte. Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten
sollte; einerseits konnte sein Interesse natürlich völlig harmloser Art sein,
aber andererseits...
    Das Zimmer war ebenfalls eine angenehme
Überraschung: groß, mit pseudo-antiken Möbeln und Laura-Ashley-Stoffen
behaglich eingerichtet. Zu warm, aber das war abzusehen gewesen; die
Wüstenbewohner sind zwar selbst ein abgehärteter Menschenschlag, halten uns
Großstadtpflanzen jedoch offenbar für Treibhausgewächse. Ich packte die paar
Sachen aus, die ich dabei hatte, hängte meinen Kulturbeutel im Bad auf und ging
noch einmal meine Notizen durch. Dann machte ich mich ein bißchen frisch und
begab mich nach unten, um etwas zu trinken, zu essen und vielleicht ein bißchen
zu plaudern.
    Der alte Mann, dessen Bekanntschaft mit
Suits’ Glücksspielkumpan den Wiederaufstieg von Lost Hope eingeleitet hatte,
war noch während der Sanierungsmaßnahmen gestorben — vielleicht vor Scham. Der
neue Eigentümer war sein Neffe, Marty McNear. Ich ging an die Rezeption, gab
dem Mann meine Karte und fragte, ob ich Mr. McNear sprechen könne. Er
verschwand im Büro, kam wieder zurück und sagte, der Besitzer werde in zehn
Minuten in die Halle kommen. Auf dem Weg dorthin inspizierte ich noch eben die
Spielautomaten.
    Es waren alles diese neuen
elektronischen Dinger, nicht mehr die ratternden einarmigen Banditen mit den
kleinen Bildchen von Kirschen, Orangen und Wassermelonen, die einst mein eher
mäßiges Interesse am Glücksspiel entfacht hatten. Ich warf einen Vierteldollar
ein. Nachdem ich die Los-Taste gedrückt hatte, teilte mir der Apparat mit, ich
besäße ein Guthaben von zwei Dollar. Ob ich es ausbezahlt haben wolle oder
weiterspielen?
    Ich spielte weiter.
    Zwei Dollar, vier, zehn, dreifünfzig.
Dreifünfzig, zweifünfundsiebzig, fünfundsiebzig Cents, null.
    Sie kriegen einen immer dran — ob
Wassermelonen und Kirschen oder nicht.
    Marty McNear erwartete mich am
Durchgang zur Halle. Er mußte wohl Anfang fünfzig sein, obgleich das schwer zu
schätzen war. Er hatte die braune Lederhaut eines Naturburschen, der sich nicht
mit Sonnenschutzöl abgibt; sein dunkles Haar war zu einem abstehenden
Lockenkranz dezimiert. Er trug ein Western-Outfit und im Gesicht ein breites
Lächeln, das demonstrierte, wie wenig es ihn schreckte, mit einer
Privatdetektivin zu tun zu haben. Bis wir uns mit unseren Drinks auf einer
rotsamtenen Polsterbank niedergelassen hatten, wußte ich bereits, warum.
    »Ich muß gestehen, ich bin neugierig«,
erklärte er. »Ich habe einen Blick auf ihre Faxe geworfen. War nicht meine
Absicht, aber der Name Gordon ist mir ins Auge gesprungen, und da konnte ich
nicht anders.« Sein Lächeln erlosch, und er trank einen Schluck von seinem
Bier. »Ich habe gehört, was mit T. J.s Frau passiert ist. Grausige Sache.«
    »Sie kennen T. J.?«
    »Klar. Ich bin vor ein paar Jahren
hierhergekommen, nach dem Tod meines Onkels. Hatte vor, das Hotel in Schuß zu
bringen, um es dann zu verkaufen und wieder nach Baltimore zurückzugehen. T. J.
und sein Pilot wohnten damals in den schlimmsten Rattenlöchern im ganzen Haus.
Der Rest seiner Leute war in einem Motel draußen am Highway untergebracht. Man
lernt einen Menschen kennen, wenn man mit ihm unter einem Dach wohnt — vor
allem, wenn dieses Dach leckt.«
    »Würden Sie sagen, Sie waren mit ihm
befreundet?«
    McNear runzelte die Stirn und
befingerte ein Streichholzbriefchen, das im Aschenbecher lehnte. »Ich weiß
nicht, ob ich das behaupten kann. Aber wir waren gute Kumpels, und sein Einsatz
für diesen Ort hat mich auf die Idee gebracht, hier zu

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