Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
ablaufen.
    Er hatte den Kopf durch das
Seitenfenster des Rovers gestreckt, mich sachte geküßt und gesagt: »Weißt du,
vor heute nacht habe ich befürchtet, du kämst vielleicht nur hierher, um mit
mir Schluß zu machen.«
    »Der Gedanke ist mir durch den Kopf
gegangen.«
    »Willst du’s?«
    »Nein.«
    »Also?«
    »Jetzt liegt es bei dir.«
    Seine Lippen wurden schmaler, und er
sah weg. »McCone, ich arbeite dran, offen zu dir zu sein. Das ist nicht leicht,
wenn man bedenkt, daß Tarnung so etwas wie meine angestammte Lebensform ist.«
    Tarnung seine angestammte Lebensform.
War das ein Leben, das es sich zu teilen lohnte?
    Er setzte hinzu: »Ich will das hier —
das mit uns. Gib mir noch ein bißchen Zeit. Das ist alles, worum ich dich
bitte.«
    Also hatte er noch ein bißchen Zeit
bekommen. Bis Ende des Jahres, soviel hatte ich ihm gewährt.
    Es blieb mir auch gar nichts anderes
übrig. Morgen früh würde er schon wieder weg sein. Mit der Citabria unterwegs
nach San Diego, wo er mit irgendwelchen Leuten reden mußte. Dann würde er einen
Linienflug zu einem nicht näher spezifizierten Ziel an der Ostküste nehmen.
    Ich hatte meine Vermutungen, wer diese
Leute waren: Gage Renshaw und Dan Kessell, Haupteigentümer der RKI und Liguren
aus Hys obskurer Vergangenheit. Im Juni hatten sie seine Dienste in Anspruch
genommen, mit dem Hintergedanken, ihn als Teilhaber in ihre Firma zu locken. Er
hatte abgelehnt, aber vielleicht hatte er es sich ja inzwischen anders überlegt.
Vielleicht sehnte er sich inzwischen doch stärker nach dem zurück, was Gage
Renshaw »die gute alte Action« nannte. Risiko, Gefahr — das war Hys Metier,
noch mehr als meins.
    Aber diese Spekulationen brachten
nichts. Vielleicht tat ich ja gut daran, mich an das zu halten, was Suits mir
so oft gesagt hatte, und die Dinge einfach kommen zu lassen...
     
    Der Highway führte mitten durch die
Stadt, und die Geschwindigkeit wurde jäh auf fünfundzwanzig Meilen begrenzt.
Zuerst kamen Tankstellen, Drive-In-Restaurants und billige Motels; nach etwa
einer halben Meile begann der alte Stadtkern. Hohe asphaltierte Bürgersteige
säumten die Straße, und dahinter erhoben sich Häuser aus Holz und Stein, die
aus den zwanziger und dreißiger Jahren stammten. Von den Hängen schimmerten
noch mehr Lichter, die sich als Kolonien bescheidenerer Häuschen entpuppten.
Laut Suits’ Unterlagen war diese Gegend Silberbergbaugebiet. Lost Hope hatte
zwischen neunzehnhundertzehn und neunzehnhundertzwanzig geboomt, war in den
dreißiger Jahren beinahe eingegangen und hatte sich dann lange Zeit mühsam
dahingeschleppt, während die Bewohner versuchten, Reisenden zwischen Reno und
Vegas und Touristen auf dem Weg ins Death Valley oder in den Yosemite
Nationalpark ihren Lebensunterhalt abzuringen. Vor vier Jahren war die Kommune
schließlich bankrott gewesen, ebenso wie die meisten Geschäfte und
Gewerbebetriebe.
    Die Rettung kam in Gestalt eines
Glücksspielkumpans von Suits, der auf dem Weg zu einem Zigtausend-Dollar-Poker
in Vegas aufgrund einer Autopanne hier strandete. An dem einen Tag, den es
dauerte, bis die Ersatzteile per Bus von Reno kamen, entdeckten er und der alte
Mann, dem das La Rose Hotel gehörte, ihre gemeinsame Leidenschaft für Gin
Romme, und irgendwann im Lauf ihrer Unterhaltung über den Karten erwähnte der
Spieler, er kenne da einen genialen Mann, der es schaffen würde, diesen Ort
umzukrempeln und in eine Goldgrube zu verwandeln. Als er am nächsten Tag
weiterfuhr, war der alte Hotelbesitzer um ein paar hundert Dollar reicher und
zudem im Besitz von T. J. Gordons Telefonnummer.
    Und umgekrempelt hatte Suits den Ort
allerdings.
    Miner’s Saloon und Casino,
Glücksritter-Museum, Silberbergwerks-Besichtigungen, Bed & Breakfast
mit Wüstenblick, Steine & Mineralien-Shop, T-Shirts, T-Shirts,
T-Shirts! Esmeralda-Steakhouse, Old West-Barbecue, Ponyreiten, Nostalgie-Gemischtwarenladen,
Antiquitäten, Indianisches Kunsthandwerk...
    Die Neonschriften blinkten und
flimmerten. Motels hatten Belegt-Schilder ausgehängt. Touristenfamilien
spazierten durch die Straßen. Paare betrachteten Schaufenster. An der zentralen
Straßenkreuzung warteten zwei Maultiergespanne auf Rundfahrt-Interessenten.
    Die Stadt boomte wieder. Aber war diese
wiederauflebende Hoffnung tatsächlich im Sinn der Bewohner?
    Ich hatte ein Zimmer im La Rose Hotel
reserviert, aber die Aussicht, mich hier einzuquartieren, erschien mir wenig
rosig. Um so angenehmer überraschte mich der

Weitere Kostenlose Bücher