Feinde kann man sich nicht aussuchen
Entscheidungen liebte,
und deshalb dachte Suits wohl, es sei das beste, sie erst mal dazu zu bringen,
daß sie mitkommt, und sie dann zum Bleiben zu überreden.«
»Und dann ist die Sache mit Carole
Lattimer dazwischengekommen, und er konnte sie nicht fragen. Aber ich verstehe
nicht —«
Ich fiel ihm ins Wort. »Ripinski, wir
können doch wohl davon ausgehen, daß die Person, die für die Explosion
verantwortlich ist, über all die Informationen verfügte, über die Suits’
Mitarbeiter verfügen. Daß sie also auch wußte, daß Anna mit ihm nach San
Francisco kommen sollte. Und daß er mich angeheuert hatte.«
Er nickte, wartete.
»Was hätte ein Beobachter in dem Moment
gesehen, als Suits und ich in den JetRanger stiegen?«
Er dachte nach, schüttelte den Kopf.
»Sag du’s mir.«
»Suits und eine Frau, die aussah wie
Anna. Etwa so groß wie sie, mit schwarzem Haar und in diesem Cape, mit
hochgeschlagener Kapuze.« Ich zog mir die Kapuze über den Kopf und sah ihn
unter dem Rand hervor an.
Seine Kiefer preßten sich aufeinander.
»Das ist es also.«
»Genau. Ich war diejenige, die dort in
der Bucht sterben sollte. Was hätte es für ein besseres Mittel geben können,
die Nachforschungen zu stoppen, die Suits veranlaßt hatte?«
Einen Moment lang hörte ich nichts als
Hys Atem, der genauso schnell und schwer ging wie meiner. Dann sagte er: »Aber
es hat sie nicht gestoppt, oder?«
»Nein, hat es nicht.«
»McCone, die Route
Dreihundertneunundfünfzig führt von hier ostwärts bis Hawthorne, Nevada, und
von da geht es auf der Fünfundneunzig runter nach Lost Hope. Mein Landrover muß
unbedingt zum Kundendienst, aber wenn du ihn dir ausborgst und das rasch machen
läßt, kannst du vor Einbruch der Dunkelheit dort sein.«
Genau das waren meine Gedanken, seit
ich am Vorabend Annas Cape übergezogen hatte.
Die Sonne schob sich jetzt hinter uns
über den Bergkamm, verwandelte das Büffelgras in gesponnenes Gold und scheuchte
die Schatten in die Felsfalten zurück. In der Ferne erglühte der Lake Tufa in
grellen Farben, und die surrealen Kalktürme standen wie Monumente aus Obsidian
vor der spiegelnden Fläche.
»Happy Birthday, McCone«, sagte Hy.
Zweiter Teil
Lost Hope, Nevada
September
11
Die Lichter der Stadt funkelten von
fern durch die Wüste. Ich hatte das Gefühl, schon stundenlang auf sie
zuzufahren.
Seit ich Hawthorne in südlicher
Richtung verlassen hatte, war die Landschaft rauh: ein einziges Braun, ab und
zu von der täuschend glatten Fläche eines ausgetrockneten Salzsees
unterbrochen, ringsum der wilde Toiyabe National Forest und die zerklüfteten
Gipfel der Monte Christo Range. An einem Abzweig, wo eine unbefestigte Straße
durch beifußbewachsenes Gelände in Richtung der Berge führte, standen eine
Ansammlung von Trailern und ein Bar-Café; eine Neonreklame warb für Mimis
Massagesalon, ein Euphemismus für Bordell hier in diesem Staat, wo die
Prostitution erlaubt war. Danach sah ich weiter nichts mehr als dann und wann
ein Auto oder einen Lastwagen und noch mehr Ödland.
Der Highway war von der besseren Sorte,
zwei schnurgerade Asphaltspuren, die so langsam anstiegen, daß ich es nur im
Rückspiegel merkte. Ich ließ den Tacho des Range Rovers um die Achtzig pendeln;
als es dämmrig wurde, nahm ich das Gas ein bißchen zurück. Selbst wenn ich
fünfundsechzig hielt, schien ich kaum vorwärts zu kommen. Und durch das
Zwielicht schimmerten immer wieder die Lichter von Lost Hope: gleich am Ende
des Anstiegs... gleich auf dem nächsten Hügel... gleich dort hinten...
Ich stellte das Radio an, bekam aber
nichts rein als Knattern und Rauschen. Stellte es verärgert wieder ab. Die
Reifen sangen auf dem Asphalt; Scheinwerfer blendeten hinter mir auf, und ein
Transporter überholte mich in rasendem Tempo, verabschiedete sich mit einem
Blinken seiner roten Hecklichter. Der Wüstenhimmel war weit und klar,
gesprenkelt mit Eissplittersternen.
Ich sah auf die fernen Lichter der
Stadt und dachte an Hy. Er saß jetzt in seinem Ranchhaus, warm und gemütlich,
mit seinen Büchern und seinen Erinnerungen an unser Zusammensein. Aber mir hier
draußen in dieser gottverlassenen Gegend reichte die Erinnerung nicht. In
dieser einen Nacht hatte mein Körper nicht genug von seinem bekommen, meine
Seele nicht genug von der emotionalen Nähe tanken können, die immer noch
zwischen uns zu bestehen schien. Um mich nicht so allein zu fühlen, ließ ich
unser Abschiedsgespräch noch einmal vor mir
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