Feinde kann man sich nicht aussuchen
kribblig. Ist vielleicht der
Wind, der dort im Süden über der Ebene aufzieht. Wie auch immer — ich bin froh,
wenn ich Dienstschluß habe und mir ein Bier genehmigen kann.«
»Wann ist das?«
»Mitternacht. Wenn Sie noch Fragen
haben oder mir einen Drink spendieren wollen, ich bin im Joker an der West
Street. Und fragen Sie von mir aus solange unsere illustren Bürger, was immer
Sie wollen.«
Es war kurz vor zehn, als ich den
Landrover in eine Parklücke gegenüber dem Laden für indianisches Kunsthandwerk
zwängte. Ich erkannte auf den ersten Blick, daß das Geschäft geschlossen hatte.
Ich dachte an Marty McNears Worte: »Keine kommerzielle Einrichtung hier in Lost
Hope wird jemals früh schließen.« Ich dachte zuerst, er hätte damit vielleicht
nur die Lokale und Spielsalons gemeint, die in Nevada in der Regel rund um die
Uhr offen sind, aber die Geschäfte rechts und links neben Brenda Walkers Laden
hatten noch auf und machten reichlich Umsatz. Ich überquerte die Straße und
studierte die Öffnungszeiten auf dem Schildchen im Fenster: von elf bis elf.
Der Muli-Tour-Stand war nur ein paar
Meter weiter. Ein Kutscher im Western-Outfit hockte zigarrerauchend auf dem
Bock. Ich ging hinüber und fragte ihn, ob er Brenda Walker kenne. Er nicke,
blies den Rauch aus und musterte mich durch die Qualmwolke.
»Wieso hat sie schon so früh zu?«
fragte ich.
Er sah zu dem dunklen Laden hinüber und
zuckte die Achseln. »Haben Sie gesehen, ob sie weggegangen ist?«
Er sah mich nur an und zog tief an
seiner Zigarre.
Ich trat näher an den Wagen heran, nahm
eine Fünf-Dollar-Note aus meiner Handtasche und streckte sie ihm hin. »Wann ist
sie gegangen?«
Er sah auf den Schein und verzog
mißmutig das Gesicht.
Ich legte noch einen Fünfer drauf.
Der Kutscher nahm beide Scheine. »Vor
einer Viertelstunde.«
»In welche Richtung?«
Er wandte den Blick ab.
Ich setzte den Fuß auf die unterste
Trittstufe. »Wissen Sie, ich habe mich gerade mit Deputy Chuck Westerkamp
unterhalten. Er hat mir gesagt, das hier sei eine habgierige Stadt.«
Die Augen des Mannes zuckten zu mir
herüber.
»War Brenda Walker allein?« fragte ich.
»Oder mit jemandem zusammen?«
»...Allein.«
»Und?«
»Heimgegangen, schätze ich.«
»Wo wohnt sie?«
Er gestikulierte nach rechts.
»Ihre Adresse?«
Jetzt sah er mich mit zornfunkelnden
Augen an. »Gelbes Haus, Ecke Sixth und B-Street.«
»Danke.« Ich wandte mich ab, um wieder
zum Landrover zurückzugehen.
Der Kutscher spuckte auf den Gehweg,
knapp neben meine Füße. »Habgierig, pfff!« knurrte er.
Die Kreuzung Sixth und B-Street lag auf
halber Höhe des Hangs im westlichen Teil der Stadt. Hier waren die Straßen
schmal und holprig und an den Rändern ausgefranst, die meisten kaum mehr als
bessere Feldwege, gesäumt von hohen Zäunen. Dahinter standen in bunter Mischung
alte Holzhäuschen, neuere Fertigbauten und Mobile Homes. Die kahlen Grundstücke
bargen Kakteengärten, diverses Gerümpel und feindselig klingende Hunde.
Brenda Walkers gelbes Haus wirkte
gepflegter als die meisten Nachbaranwesen. Es stand ein Stück von der Ecke
zurückgesetzt, zwischen hohen Yucca-Palmen; die dünnen Stämme schwankten im
Wind, und die wackelnden Blätter warfen tanzende Schatten auf die hellen Wände.
Als ich an der gegenüberliegenden Ecke hielt, sah ich Brenda Walker hinter dem
erleuchteten Frontfenster. Sie ging auf und ab und sprach in ein schnurloses
Telefon; sie gestikulierte emphatisch mit der linken Hand und fuhr sich
wiederholt mit den Fingern durch das kurze graue Haar. Nach ein paar Minuten
legte sie auf, ging ans Fenster und zog ruckartig die Vorhänge zu. Dann ging
das Ficht aus.
Ich duckte mich hinter dem Steuerrad
zusammen und heftete den Blick auf Brendas Vordertür. Sekunden später ging sie
auf, und Brenda stürzte heraus, angetan mit einer Daunenjacke. Sie stieg in
einen blauen Ford-Transporter, der in ihrem Hof stand. Der Motor sprang an, die
Scheinwerfer leuchteten auf, sie wendete und fuhr bergauf davon. Ich gab ihr
einen kleinen Vorsprung, ließ dann den Landrover an und folgte ihr ohne Licht
ein paar Querstraßen weit. Als ein dritter Wagen mit blendend hellen
Scheinwerfern aus einer Einmündung kam, nutzte ich die Gelegenheit, mein Licht
anzuschalten.
Brenda Walker fuhr mit steten
fünfundzwanzig Meilen zwischen immer schäbiger werdenden Häusern und Trailern
hindurch zu einer nicht asphaltierten Straße, die sich in Serpentinen steil den
Hang hinaufwand.
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