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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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indem
er sich am Geländer festklammerte. Als er den Schlüssel ins Schloß zu fummeln
versuchte, fiel ihm der Schlüsselbund herunter; ich hob ihn auf und öffnete.
Pace schlurfte ohne ein Wort des Dankes die Diele entlang. Ich schloß die Tür
und folgte ihm.
    Die kleine Küche, in die er strebte,
war selbst für eine unambitionierte Hausfrau wie mich ein Schock. Überall
standen dreckige Teller und Gläser, und auf den meisten Tellern klebten
Substanzen, die wohl einmal etwas Eßbares gewesen waren. Über die Quelle des
durchdringenden Gestanks, der den kleinen Raum erfüllte, wollte ich lieber gar
nicht erst nachdenken; klebrige Flecken auf dem Fußboden schienen es auf meine
Schuhe abgesehen zu haben.
    Pace stellte seine Leinentasche auf der
Arbeitsplatte ab und entnahm ihr die Flasche Kessler’s. Er trieb ein Glas auf,
besann sich dann offenbar auf seine Kinderstube und sah mich fragend an. Als
ich den Kopf schüttelte, schien er erleichtert. Ohne das Glas auszuspülen, goß
er sich einen Dreifachen ein, kippte ihn hinunter und goß nach.
    Ich bemühte mich, ein neutrales Gesicht
zu machen, aber Pace durchschaute mich. »Jawohl, ich bin Alkoholiker«, sagte
er. »Und, jawohl, ich habe es aufgegeben, diese Tatsache verheimlichen zu
wollen. Das ist mir scheißegal. Meine Küche ekelt sie wohl an?«
    »Interessiert Sie das?«
    »Nein.« Er zwängte sich abrupt an mir
vorbei. »Aber mit Rücksicht auf Ihre Feinfühligkeit werden wir uns auf die
Veranda setzen.«
    Nachdem wir uns an beiden Enden des
alten Sofas niedergelassen hatten, fragte Pace: »Wovon hatten wir’s eben?«
    »Von Ed Bodine. Genauer gesagt, von
seiner Verhaftung wegen dieser Kokainsache. Wenn ich es recht verstehe, hat das
die Gewerkschaft hier erheblich geschwächt.«
    »Es hat sie ausgeschaltet. Lammfromm
waren die, als Bodine erst mal im Gefängnis saß.« Pace stierte in sein Glas und
schwenkte den Schnaps herum. Ȇber zehn Jahre war Bodine ein Stachel in meinem
Fleisch. Ein paar Monate vorher — ach, ein paar Wochen vorher noch — hätte ich
gejubelt, wenn sie ihn hopsgenommen hätten. Aber zu der Zeit war ich schon
nicht mehr bei Keystone. Da war mir das schon alles egal.«
    »Bodines Verteidigung hat behauptet, er
sei hereingelegt worden.«
    »Klar.«
    »War es so?«
    »Ja. Kenne deine Feinde — ein wichtiger
Grundsatz im Geschäftsleben. Ich kannte meine, und Bodine war kein
Drogen-Dealer.«
    »Und wer hat ihn hereingelegt?«
    »Wer anders als T. J. Gordon?«
    Vor einiger Zeit noch wäre es mir
schwergefallen, das zu glauben, weil ich nur den alten Suits von damals kannte.
Aber wie mir im August selbst aufgefallen war, hatte er sich verändert. Und
außerdem hatte Suits früher selbst mit Drogen gehandelt; war es da nicht
plausibel, daß ihm gerade dieser Trick einfiel, um einen Gegner auszuschalten?
    Ich dachte daran, wie ich mit ihm im
Miranda’s gesessen hatte. Ich hatte gesagt: »Du hast dich verändert, Suits.«
Und er hatte es eingestanden. »Gilt das nicht für uns alle, Sherry-O?« hatte er
entgegnet.
    Aber hatte sich Suits so gründlich
verändert? Und — hatte ich mich so gründlich verändert?
    Plötzlich begann Pace zu lachen, und das
Lachen mündete in einen neuerlichen Hustenanfall. Als er ihn überwunden hatte,
kippte er den Rest aus seinem Glas hinunter. Dann ging er nach drinnen, um es
wieder zu füllen. Er blieb eine ganze Weile im Haus, kippte vermutlich noch ein
paar Gläschen auf Vorrat. Als er wieder herauskam, war er immer noch erheitert.
    »Woran haben Sie vorhin gedacht?«
fragte ich.
    »An Ed Bodine. Er hat vielleicht vor
seiner Verhaftung nicht gedealt, aber hinterher; er hat sich auf jeden Fall
prächtig an das Gefängnisleben angepaßt.«
    »Soll heißen?«
    »Er hat gelernt, das System
auszutricksen wie ein gewiefter Gauner. Hat sich bei ihnen lieb Kind gemacht,
den reuigen Sünder gespielt. Nach einiger Zeit kam er von West-Pennsylvania in
die weniger gesicherte Haftanstalt in Greensburg. Und von dort ist er eines
Tages einfach abgehauen. Hat den Wagen von einem der Aufseher kurzgeschlossen
und sich damit davongemacht. Der Wagen wurde in Ohio gefunden. Und von Ed
Bodine hat man seither nie wieder etwas gehört.«
    »Wann war das?«
    »Letztes Jahr am vierten Juli. Ich weiß
es noch genau, weil ich gerade hier auf diesem Sofa gesessen und mir das
Feuerwerk über dem Fluß angeguckt habe, als es in meinem Transistorradio kam.
Bodine hatte den Besucherstrom am Feiertag ausgenutzt.«
    »Am vierten Juli

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