Feinde kann man sich nicht aussuchen
letzten Jahres. Sind
Sie da ganz sicher?«
Pace sah mich ärgerlich an und leerte
sein Glas. »Junge Frau, ich bin vielleicht ein Säufer, aber senil bin ich
nicht.«
Letztes Jahr am vierten Juli. Ich
starrte auf den Bahndamm und versuchte, mir die zeitliche Abfolge
zusammenzupuzzeln.
Ed Bodine, dem Suits allem Anschein
nach ein Verbrechen unterschoben hat, setzt sich am Unabhängigkeitstag aus dem
Gefängnis ab — ein hübscher ironischer Touch. Das gestohlene Fluchtauto wird
später in Ohio gefunden, westlich von hier. Einen guten Monat später wird in
Colorado, wiederum weiter westlich, ein Kombi gestohlen. Eben dieser Kombi
steht, abermals einen halben Monat später, verlassen vor dem Aces
& Eights in Lost Hope. Und in diesem Herbst werden die sterblichen
Überreste des Augustmanns von den Beamten des Sheriff’s Department von
Esmeralda County ausgegraben.
Zufall? Vielleicht. Vielleicht auch
nicht.
Ich wußte, wie ich es herausfinden
konnte.
16
Nachdem ich ihr meine Theorie
auseinandergesetzt hatte, ließ mich Nancy Koll mit den Akten über Ed Bodines
Verhaftung an einem freien Schreibtisch im Wachzimmer sitzen. Sie selbst ging
in ihr Büro, das zu Kneipenzeiten der Billard-Raum gewesen war, um die
Strafvollzugsbehörde von Pennsylvania anzurufen. Ich blendete die klingelnden
Telefone und die Stimmen um mich herum aus und machte mich daran, den dicken
Aktenstapel zu durchforsten. Als ich die letzte Akte gesichtet hatte, war ich
fest davon überzeugt, daß Bodines »Überführung« ein mieser Trick gewesen war.
Die Polizei war dem vermeintlichen
Kokain-Deal dadurch auf die Spur gekommen, daß ein anonymer Anrufer an einem
späten Freitagabend mitgeteilt hatte, in einer der Hochöfenhallen im
Keystone-Werk täten sich interessante Dinge. Die Polizisten stießen dort auf
Bodine und Jim Spitz, einen Gewerkschaftskollegen von Bodine, der mit ihm um
den Ortsgruppenvorsitz rivalisierte. Spitz gab bereitwillig zu, daß er sich mit
Bodine getroffen habe, um von ihm eine größere Menge Kokain zu kaufen. Er
zeigte einen Umschlag mit einer großen Summe Bargeld vor. Bodine leugnete alles
ab und behauptete, Spitz habe das Treffen veranlaßt, um mit ihm über
vertrauliche Informationen zu reden, an die er zufällig gekommen sei. Er habe
gesagt, es gehe um Pläne der Betriebsleitung, die die lokale Gewerkschaftsgruppe
ernstlich zu schwächen drohten. Als Bodine durchsucht wurde, fanden sich jedoch
Kokainsäckchen im Innenfutter seiner Jacke. Er erklärte, er wisse nicht, wie
sie dahin gekommen seien, und eine Menge Leute hätten sich an seine Jacke
heranmachen können, während sie in seinem Spind im Werk gehangen habe. Bei der
Durchsuchung seiner Wohnung fand die Polizei dann jedoch noch mehr Kokain.
Beim Prozeß konnte weder die
Verteidigung noch die Anklage schlagende Beweise erbringen. Zu dem Zeitpunkt,
als Bodine Spitz’ Anruf wegen des Treffens bekommen haben wollte, war niemand
bei ihm gewesen, und er hatte auch niemandem gegenüber etwas davon erwähnt. Auf
der anderen Seite behauptete Spitz, der gegen Zusicherung von Straffreiheit als
Kronzeuge aussagte, er habe das Geld für den Drogenkauf selbst aufgebracht,
obgleich jeder wußte, daß er immer knapp bei Kasse war. Es schien merkwürdig,
daß ein so gewiefter Mann wie Bodine sich darauf einlassen sollte, sich mitten
in der Nacht mit einem Rivalen an einem so einsamen Ort wie der Hochofenhalle
zu treffen, aber andererseits war er ein harter Bursche, der durchaus auf sich
aufpassen konnte. Der anonyme Hinweis an die Polizei sprach zwar gegen Spitz’
Behauptung, er habe die Sache allein in die Wege geleitet, aber es war allgemein
bekannt, daß er zuviel redete, und so konnte es durchaus sein, daß er sich
irgendwann vor der falschen Person mit dem Deal gebrüstet hatte.
Letztlich lief es darauf hinaus, wem
die Geschworenen eher glauben würden. Spitz wirkte sympathisch, beredt und
reumütig; Bodine hingegen wenig gewinnend, nicht sonderlich wortgewandt und
außerdem verstockt. Die Geschworenen glaubten Spitz.
Ich klappte die Akte zu, erhob mich von
meinem Schreibtischstuhl und trat an den Durchgang zu Nancy Kolls Büro. Die
Polizeichefin saß in ihrem Drehsessel und betrachtete ein Studio-Foto von zwei
kleinen Mädchen, das an der Wand hing. Ich klopfte an den Türrahmen; sie fuhr
zusammen, winkte mich dann herein. »Ich warte darauf, daß mich die
Vollzugsbehörde zurückruft«, sagte sie. »Sie sehen gerade nach, ob etwas
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