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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Spielhalle. Die ganzen kleinen Geschäfte. Ein paar Restaurants. So waschen sie ihr Geld.«
    Hartmut sagt: »Man braucht einen Wohnberechtigungsschein, um hier zu wohnen. Das ist doch ein Haus in Kommunalbesitz!«
    »Und die Kommune besteht etwa nicht aus Menschen, die Geld brauchen? Die bestechlich sind?«, fragt Cevat.
     »Ich glaub das nicht!«
    Hartmuts Gelaufe auf dem Teppich macht mich kirre. »Setz dich hin!«, sag ich, »sonst mache ich einen DDT.«
    Hartmut setzt sich hin, da er nicht mit dem Schädel in den Teppich gerammt werden will, und sieht Cevat an: »Und was passiert, wenn man sie nicht bezahlt?«
    »Dann stacheln sie die Straßenkids auf, die hier immer rumhängen, um Ärger zu machen. Wenn das nichts nutzt, sorgen sie dafür, dass du gehst.«
    »Wie sorgen sie dafür?«
    »Einbrechen. Haustier abstechen. Dir ein Ohr abschneiden.« »Haustier abstechen?«, fragen wir synchron, weil das mit Abstand schlimmer ist als die anderen Optionen. Cevat nickt.
    »Und keiner zeigt sie an?«
    »Ohne Beweise? Bis der Prozess läuft, haben sie dich fertiggemacht. Das riskiert keiner.«
    Wir glauben nicht, was wir hören. Wir kneifen uns.
    Cevat sagt: »Ich sage mir immer, es hat auch Vorteile. Du kannst dich nicht wehren, wenn du nicht selbst drinsteckst. Die Russen, die Albaner, die Rumänen, die Georgier, die Aserbaidschaner, die Libanesen, die Kurden, die Araber, die Türken. Ich will das alles nicht. Soll ich mich auf den Scheiß einlassen, bloß weil ich Türke bin? Den ganzen Dreck mitmachen? Mit 22 im Knast landen? Scheiße. Wenn du hier lebst und nicht mitmachen willst, brauchst du jemanden. Das, oder du gehst weg. Pankow ist zum Beispiel ein Viertel, da gehört keine einzige Kneipe der Mafia. Dafür kriegst du jeden Abend von Neonazis auf die Fresse.«
    Wir trinken den Tee zu Ende. Draußen zerrt der Abendwind am Haus und weht ein paar Verkehrsgeräusche von der Müllerstraße herbei. Bei Call Of Duty: World At War ertönt das beruhigende Geräusch von Videospiel-Flakfeuer im zweiten Weltkrieg, als die Fronten noch übersichtlich waren. Es ist angenehm, mit Cevat zu schweigen. Das ist immer ein Zeichen für gute Menschen. Als wir ausgetrunken haben, verabschieden wir uns.
    Die Jungs öffnen das erste Mal seit unserem Stürmen der Wohnung den Mund und sagen: »Coole Wrestling-Moves!«
    Wir lächeln, geben Cevat die Hand und kehren in unsere Wohnung zurück.
     
    Miller &l Associates
     
    Es sind nur ein paar Stationen mit der U6 von der Haltestelle Rehberge bis zu der Haltestelle, an der wir mit Caterina aussteigen müssen, um zu unserem potentiellen neuen Arbeitsplatz zu kommen. Noch so ein »Vorteil« unseres Wohnorts. Herzlichen Glückwunsch. Wir verschweigen den Frauen, was wir gestern von Cevat erfahren haben. Hätte Hartmut nicht jahrelang die Steuer ignoriert, wären wir jetzt nicht hier. In der U6 spielt das Handy eines Jungen einen HipHop-Track. »Denn es gibt hier Tage, wo es wirklich hart und schwer ist/jeder Dritte hat 'ne Waage, jeder Zweite dealt im Block/ jeder Erste konsumiert, nur jeder Zehnte hat 'nen Job/keine Träume werden wahr, weil man mit eignen Augen sieht/ wie im Park die Junkies spritzen und der eigne Bruder dealt.« Caterina ignoriert es. Ich schaue hinaus. Dealen im Park, denke ich. Wir sind von Parks umgeben. Ein zweiter Schuljunge steigt zu, klatscht den Handy-HipHop-Hörer ab und sagt: »Was geht, Mann? Wo is mein Assi?« »Na, alles klar?«
    »Hab gestern noch Stress gehabt mit den Wichsern vom Nettelbeckplatz.«
    »Du bist zu lieb, du Gay!«
    »Ja, wahrscheinlich. Die Schmocks. Müsse Kugeln reinspucken, echt. Fuck!«
    Ich knete Caterinas Hand und schaue auf dem Fahrplan, wie viele Stationen es noch sind.
    Hartmut flüstert: »Dies war einst Eichendorffs Land.« Dann schüttelt er über sich selbst den Kopf, als dürfe er so was nicht sagen, und zwirbelt seine linke Kotelette spitz.
     
    Die Agentur Miller & Associates ist in einem großen Backsteinbau untergebracht. Es gibt kein Firmenschild. Auch dieses Viertel ist nicht das, was man »gut« nennt. Die Häuser in der Straße sind alt, einige sind von Kabeln eingesponnen, die sich an den Außenwänden von Fenster zu Fenster ziehen. Im Haus gegenüber erkennt man im Gemäuer noch die längst verblasste Schrift eines Kramladens. Es erinnert an verwitterte Gebäude in der Provinz von Ohio, kurz bevor das A-Team eintrifft. Tote, längst nicht mehr befahrene Gleise sind in die Straße eingebettet. Zwischen dem Stahl und dem

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