Feindesland
wage ich mal zu sagen, aller Wahrscheinlichkeit nach bald ein neuer Kollege im Bereich Text.«
Alle Anwesenden nicken, murmeln und winken. Bei denen, die winken, klammern sich Stofftiere mit Klettpfoten an blaue Pixar-Schreibtischlampen.
Milo zwinkert Hartmut zu. Dann kommt er zur Sache: »Gut. Ihr habt eben unten gesehen, zu was Crew 1 fähig war. Dieses Niveau müssen wir mit unserer nächsten Kampagne auch erreichen. Ratzfatz! Es geht dabei, wie ihr wisst, nicht um ein Bundesland, sondern um einen Brei. Wir pitchen um einen Auftrag von Hipp, meine Lieben. Ja, dem Hipp! Erfolgreichster Babynahrungshersteller des Landes, produziert immer noch hier, ist ein wandelnder Wirtschaftsfaktor. Denkt ihr an Hipp, denkt ihr vielleicht an den netten Onkel, der mit dem Strohhut auf der Plantage selbst das Gemüse prüft, aber Obacht: Die haben die Zeichen der Zeit erkannt. In einem halben Jahr wollen sie mit einer neuen Produktreihe groß rauskommen. Brei für Erwachsene. In Gläsern, kalt oder warm sofort essbar, vollständig Bio, aber eben nicht so eine lasche Pampe wie die Säuglingsnahrung. Die kennen moderne Berufsbilder, die kennen den Zeitmangel, kurzum: Die kennen uns, oder?« Milo lacht. An einem Eckschreibtisch schiebt einer betont unauffällig drei angebrochene Gläser Hipp hinter seinen Monitor. »Ihr kennt euch aus, ihr wisst, was für ein Potential diese Idee hat, gerade für den Urbanen Konsum. Der Erwachsenenbrei soll zunächst in drei Geschmacksrichtungen erscheinen: Salami-Peperoni, Mais-Chili und Guacamole-Pfeffer. Grundstoff sind immer Kartoffeln. Das Produktversprechen lautet also: eine komplette, vollwertige Mahlzeit in Bioqualität püriert im Glas und somit schnell und ohne jeden Zeitverzug einnehmbar. Kleine Portionen für zwischendurch, nur eben tatsächlich nahrhaft und ohne das lästige, zeitraubende Kauen. Fastfood, ohne Fastfood zu sein. Das kommt dem Gesundheitstrend entgegen. Zielgruppe sind primär junge Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren, die immer Stress haben. Geschäfts- und Medienleute, aber auch Studenten, vielleicht sogar ältere Schüler, die einen besseren Snack als Falafel brauchen. Das Produktversprechen soll zu dieser Zielgruppe transportiert werden, auf dem Aufgabenplan steht eine Printkampagne, sprich: Claim- und Motiventwicklung. Präsentation noch vor Weihnachten, also müssen wir uns alle ranhalten. Art und Text setzen sich bitte zusammen, alles ist denkbar, okay?
Kernbotschaft ist: >Iss schnell und doch gesund. Man muss nicht kauen, um sich zu ernähren.< Am Freitag will ich erste handfeste Vorschläge sehen. Ratzfatz!« Milo klatscht in die Hände. Klatschen ist hier offensichtlich Standard. »Auf, auf, das muss krachen. Schlafen können wir noch, wenn wir tot sind!«
Das Meeting löst sich auf. Einige gehen an ihre Tische zurück, ein paar bewegen sich mit Milo, Caterina und Hartmut in meine Richtung. Die drei kommen zu mir, die anderen Mitarbeiter ziehen sich Kaffee an der Maschine.
»Du bist der zukünftige Assistent von Herrn Hüttemann, richtig?« Milo schüttelt mir die Hand. »Warum hast du dich grad nicht zu uns gesellt?«
»Ich gehöre doch nicht zur Crew«, sage ich.
»Klar«, sagt Milo, »ihr seid doch ein Paar, oder?« Er sieht Caterina an. Wir schnurren. »Na also. Dann gehörst du auch zur Familie. Herr Hüttemann kommt erst um 9 Uhr, aber das weißt du ja. Hartmut, wollen wir uns nicht alle hier setzen wegen dir? Ich hole uns Kaffee.«
Hartmut nickt, wir hocken uns um den runden Tisch vor der Zeitschriftenauslagewand. Milo stellt vier Tassen Kaffee zwischen uns ab, als sei er der Praktikant. Dabei ist er Creative Director für den Bereich Text, der Mann, der den Daumen hebt oder senkt bei allem, was Hartmut hier tun könnte, würde er angenommen.
»So geht das hier«, lacht Milo, »der Chef bedient die Bewerber!«
Hartmut bedankt sich und taxiert den Mann wie Jack Bauer neue Verdächtige. Milos gute Laune irritiert ihn. Milo rührt sich ein wenig Milch in seinen Pott und bewegt schwungvoll den Oberkörper hin und her, während er spricht, als führe Stillsitzen zu einem sofortigen Einbruch der Umsätze.
»Ich hab mir das so vorgestellt«, sagt er. »Du machst mit uns auf jeden Fall diese Kampagne zu Hipp. Als vollwertiger Texter. Zack! Ratzfatz! Schwuppdiwupp! Peng!«
Hartmut sieht nach, ob sich in der Luft über Milos Kopf Sprechblasen bilden.
»Klappt das mit der Kampagne gut, reden wir über einen festen Arbeitsvertrag. Das hat für uns beide
Weitere Kostenlose Bücher