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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Türkenstraße heißt. Aber es ist nun mal so. Parks, Schulen, Kliniken. Wie hätten wir ahnen sollen, dass hier die Kleinkriminellen vor der Tür stehen?
    »Das ist schon ganz gut so, wenn wir jetzt einen Job kriegen«, hole ich Hartmut und mich aus unseren Gedanken, und er nickt und nippt an seiner Flasche.
    »Es ist nur«, sagt er, »ich hab das Gefühl, wann immer wir etwas erreichen, nimmt man es uns sofort wieder weg.«
    »Besonders jetzt, wo es die Aggressionssteuer gibt«, scherze ich, doch Hartmut findet es nicht lustig. Er beobachtet eine Taube, die am Haus gegenüber waghalsig auf dem Rand des Daches stolziert, und knickt aus heiterem Himmel zusammen, sich den Hals haltend. »Au!«, sagt er, und seine Bierflasche fällt auf den Boden. »Verdammte Scheiße!« Er nimmt die Hand weg, ein riesiger blauer Fleck breitet sich an seinem Hals aus. Ich sehe, wie zwei Balkone weiter rechts zwei Jungs kichernd einen Gewehrlauf einziehen. Hartmut folgt meinem Blick, mit den Händen auf den Oberschenkeln abgestützt, und sieht es auch. Dann legt sich in unser beider Köpfen synchron ein Schalter um. Wir stampfen durch die Wohnung Richtung Tür und scheinen dabei nicht mehr liebenswürdig zu wirken. Man merkt es daran, dass der eigene Kater, den man hegt und pflegt, ängstlich flieht und sich flach an den Boden drückt, als könne man ihm etwas antun. Man merkt es am Blick der Frauen, die nicht schnell genug reagieren können, um uns aufzuhalten. Wir reißen die Tür auf, so dass sie an die Wand des Hausflurs schlägt, laufen ans Ende des Ganges und klopfen so laut gegen die dortige Tür, wie es sonst nur die Polizei bei einer Razzia tut. Ein Türke von vielleicht 20 Jahren öffnet. »Ja?«
    Wir sagen nichts, schubsen ihn einfach beiseite und gehen durch das Wohnzimmer in Richtung seines Balkons. Die Wohnung ist exakt so geschnitten wie unsere. Zwei kleinere Jungs von vielleicht 14 Jahren verstecken sich hinter einer Couch. Ihr großer Bruder sagt: »Ey, was kommt ihr hier einfach so rein?« Hartmut und ich müssen immer noch nicht reden. Wie in einem Unterwasserballett beugen wir uns zugleich über die durchgesessene Couch und ziehen die beiden Übeltäter an ihren T-Shirts nach oben. Sie sind jung, sie wiegen nichts, sie fühlen sich elastisch an. Das Luftgewehr liegt noch auf dem Teppich. Hartmut brüllt den kleinen Jungen mit weitaufgerissenem Maul an, so dass winzige Perlen von Spucke in dessen Gesicht landen: »Siehst du das, du kleines Ekel? Siehst du diesen blauen Fleck? Hätte ich mich in dem Moment umgedreht, hätte ich mein Auge verlieren können!«
    Der Junge zappelt in Hartmuts Armen, während ich den anderen in Schach halte. Auch der wehrt sich, schnappt mit den Zähnen, erwischt fast meinen Unterarm. Ich stelle ihn ruhig, indem ich meine Wrestling-Kenntnisse reaktiviere und ihn mit einem Figure Four Leglock auf den Teppich drücke. Allein seine Verwunderung darüber lässt ihn erstarren. Im Fernseher vor der Couch läuft Call Of Duty: World At War auf einer Xbox 360. Es geht alles so schnell, dass der ältere Bruder immer noch nicht reagiert hat. Hartmut dreht jetzt auch seinen kleinen Kontrahenten in der Luft um und würgt ihn in einem Sleeper Hold.
    Der große Bruder kommt herbeigestürmt: »Du nimmst meinen kleinen Bruder nicht in einen Sleeper Hold, du Made!«
    Aha, denke ich, jetzt wissen wir schon was. Der Mann kennt Wrestlingtechniken, und der andere Junge, den ich im Leglock habe, ist nur ein Kumpel und nicht sein Bruder.
    Hartmut brüllt: »Dein kleiner Bruder hat mit einem Luftgewehr auf mich geschossen, verdammt! Aus bloß 20 Metern. Wir sind Nachbarn, Herrschaftszeiten!«
    Der junge Mann hält vor der Couch inne, sieht das Gewehr dahinter und packt seinen kleinen Bruder am Kiefer, während er noch in Hartmuts Sleeper Hold hängt. Sein Gesicht ist bereits rot von der Luftabschnürung und bekommt nun weiße Flecken, dort, wo sein Bruder ihn mit den Fingern quetscht: »Stimmt das?«
    Der Bruder nickt. Sein kleiner Kumpel versucht, meinen Leglock zu kontern, indem er sich auf den Bauch dreht, aber er hat zu wenig Kraft. Dennoch lasse ich ihn überraschend los, packe ihn sofort wieder, klemme seinen Schädel unter meinem Arm ein und verpasse ihm einen DDT auf den Teppich. Der Teppich ist flauschig. Zusätzlich federe ich den Sturz ab, indem ich den Kleinen so halte, dass er mit dem Kopf nicht ungebremst auf dem Boden aufschlägt. Wrestling ist schließlich eine Show. Sie will gekonnt sein.
    Der

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