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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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das«, sagt Mattes, »ist das Ergebnis!«
    Auf der Leinwand wird ein Fernsehwerbespot abgefahren, Weltpremiere, noch streng geheim.
    Die Kamera zeigt verfallene Gebäude an einer Straße ohne Leben. Kopfsteinpflaster mit Löchern. Kaputte Zäune, die tote Gärten umschließen. Zoom auf einen Stromkasten, auf dem ein halbabgerissenes Plakat klebt, dessen Fransen sanft im kalten Wind flattern. Auf dem Plakat steht: »Rock bei Hugo 1992.« Es spielt ein schwerer, dunkler Blues.
     
    STIMME AUS DEM OFF
    Wir haben Platz ...
     
    Eine Bäckerei mit zwei winzigen Stehtischen. Die Auslage ist spärlich. Ein Kühlschrank summt. Eine Uhr zeigt Mittag. Die Bäckerei ist das einzige gastfreundliche Gebäude auf der kilometerlangen, verlassenen Straße. Zwei Männer am Stehtisch, Becherkaffee und zwei Brötchen vor sich. Sie plaudern. Sie sächseln. Sie nuscheln. Man versteht kein einziges Wort. Sie sind jung. Sie haben Glatzen und tragen Kampfstiefel.
     
    STIMME AUS DEM OFF
    Wir haben starke Männer ...
     
    Die Skinheads verlassen die Bäckerei und steigen in einen Kleinbus. Sie fahren los. Das Fahrzeug gelangt ins Grüne. In einem Dorf haben sich zahlreiche Menschen versammelt. Der Kleinbus fährt im Schritttempo zwischen ihnen hindurch und biegt zwischen riesigen Pappeln auf ein Gelände ein. Ein Fußballplatz im Grünen, die kleinen Tribünen sind voll, es werden Würstchen gebraten. Auf einem Plakat steht: »Talentturnier 2010.« Die beiden Männer holen ihre Taschen aus dem Bus und gehen zum Gebäude mit den Mannschaftskabinen. Vor einer steht ein Team von Zwölfjährigen klassischer mecklenburgischer Provenienz; vor der anderen eine wildgemischte Mannschaft aus arabischen, türkischen und farbigen Kids. Die Männer, die gemeinsam angereist sind, geben sich die Hand, klopfen ihren jeweiligen Jungs auf die kleinen Köpfe und verschwinden in verschiedenen Kabinen.
     
    STIMME AUS DEM OFF
    Wir haben was gegen Vorurteile ...
     
    Das Fußballspiel von oben, Autos auf grünen Landstraßen, Altbauten und Fachwerk, ein Luftbild unendlich vieler leerer Flächen, die Musik nun sonniger Rock.
     
    STIMME AUS DEM OFF
     
    Chancen gehen niemals verloren.
    Lässt man sie liegen, nutzt sie bloß jemand anderes.
    Sachsen-Anhalt... alles ist offen!
     
    Der Abspann läuft, die Anwesenden schweigen. Ein Kürbiskern fällt auf den Boden. Dann bricht tosender Applaus aus, kein Höflichkeitsgeklatsche wie eben. Einige hüpfen auf und ab wie Kinder, die im Media Markt eine Wii gewonnen haben. Auf den Fensterbänken entsteht eine La Ola.
    Mattes ruft: »Das ist Innovation, meine Lieben. Das ist, wofür wir hier sind. Und jetzt alle ran an die Arbeit und mehr davon!«
    Die Leute springen auf, bringen ihre Teller nach unten und reden wild durcheinander. Wie Schulkinder, die sich auf Völkerball vorbereiten, wie die Schulband, kurz bevor sie auf die Bühne geht. Es steckt an. Ich sehe sogar einen Glanz in Hartmuts Augen. Gut, nach dem, was wir sonst so erleben, ist dieser Morgen schon so viel Kultur wie woanders das Staatstheater, aber es ist dennoch verwunderlich. Hartmut ist eigentlich kein Werber. Eigentlich.
    Die Kürbiskerne sind nicht ansatzweise verdaut, als der lachende Milo im dritten Stock des Gebäudes das interne Meeting der Crew 3 eröffnet. Hier werden täglich alle »gebrieft«, wie es im Jargon dieser Welt heißt. Es findet im Hauptraum der 3. Etage statt, einem von Ventilatoren durchlüfteten Großraumbüro mit einem Dutzend zu Inseln gestellter Schreibtische und nur wenigen einzelnen Büros Höhergestellter, die durch Glaswände abgetrennt sind, so dass jeder Praktikant nachprüfen kann, dass sein Boss in der Arbeitszeit auch wirklich arbeitet. Und umgekehrt selbstverständlich. Da ich nicht zur Crew gehöre, sondern in einer halben Stunde dem Hausmeister vorgestellt werde, der seinen Arbeitstag erst um 9 Uhr beginnt, höre ich dem Meeting nur mit halbem Ohr zu und folge derweil dem Weg, der aus dem Raum herausführt. Er mündet in einen breiten Flur, in dem ein runder Tisch vor einer Auslage mit aktuellen Ausgaben aller denkbaren Magazine und Zeitungen steht. Gegenüber vom Tisch zermahlt ein Kaffeeautomat Bohnen auf der Arbeitsplatte einer Teeküche. Links führt der Gang in die Tiefe zu vier weiteren Tischinselchen. Es riecht nach Holzparkett, Kaffeebohnen und der Abluft von Computerkühlern.
    Im Großraum sagt Milo: »Caterina kennt ihr ja seit gestern. Der junge Mann, den sie mitgebracht hat, heißt Hartmut und wird, das

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