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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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mir sagen, hier, vor unserer Haustür?«
    Ich schüttele den Kopf.
    Caterina gibt ihr Bestes, um das Schlechteste zu imitieren: »>Ey, Schnecke, bist du schon feucht? Gleich kommt der Neger und bumst dich!< Das sagen sie, vorhin, als ich von der Arbeit komme. Am helllichten Tag, wo die Sonne scheint. Das kann doch nicht wahr sein!«
    »Na, wir wissen ja jetzt, wer dagegen eine Lösung hat«, sagt Hartmut leise.
    »Wie bitte?«, fragt Caterina.
    »Ach, nichts«, sagt Hartmut.
    Susanne steigt seufzend vom Stuhl und legt den kleinen Spannungsprüfschraubenzieher von der Lampenmontage ab. Sie öffnet den Kühlschrank, holt eine Möhre heraus, tunkt sie in ein offenes Glas Nutella auf der Spüle und beißt ab. »Es ist ein Scheißviertel«, sagt sie kauend, »besonders für Frauen.«
    Sie soll so etwas nicht sagen. So etwas erzeugt in mir Schuldgefühle. Schuldgefühle und Panik. Die Art von Panik, welche die Iren auf der Titanic hatten, als sie in der dritten Klasse eingesperrt wurden, weil die Rettungsboote nur für die Reichen reichten.
    »Soll ich sie schlagen?«, frage ich Caterina und meine die vulgären Schwätzer damit.
    »Ja«, sagt sie, wie sie es damals bei dem Trucker sagte, der auf dem Rasthof seine Ladung verlor und dessen rollende Stahlseilwalze uns einige Bilder zerstörte.
    Susanne beißt wieder von der Möhre ab. Das Geräusch erinnert mich an das Knacken von Knochen. In manchen Tonstudios wird es sogar dafür genutzt. Mike Patton hat so eine ganze Platte aufgenommen. Hartmut spielt sie einmal im Monat, sehr laut.
    Caterina kommt angezogen um die Wand herum und küsst mich. »Ich habe meinem neuen Chef in der Agentur von euch beiden erzählt, heute, beim Mittagessen. Hartmut, der subversive Schriftsteller, sehr originell, hat auch schon Aktionskunst gemacht. Germanist, Lebensberater, Poet.« Hartmut wackelt mit dem Kopf und wird rot. »Mein Mann, Packer, Praktiker, Playstationspieler. Zuverlässig, kann alles, lernt alles. Seele von Mensch, sozial integrierend.«
    »Das bin ich?«, frage ich.
    »Warum erzählst du ihm das?«, fragt Hartmut.
    Susanne, die anscheinend schon eingeweiht ist, wedelt mit der Möhre und sagt, Knochen kauend: »Pass auf, jetzt kommt's!«
    Caterina sagt: »Weil ihr euch schon morgen in der Agentur vorstellen dürft. Sie können noch einen patenten Texter gebrauchen, einen Querkopf, wie sie sagen, sowie einen Assistenten des Hausmeisters. Es sind Miller & Associates. Das ist ein großes Haus.«
    »Das ist ...«, sagt Hartmut, ohne zu wissen, wie er den Satz weiterführen soll.
    »Klasse!«, sage ich und umarme Caterina. Ich knuffe Hartmut. »Geld! Hartmut! Job! Geld!« Ich werde einsilbig. Ich denke an ein Buch, das ich Caterina einmal komplett vorgelesen habe, zehn Seiten am Abend, im Bett. »Manon Lescaut«, eine mühsame Lektüre, sprachlich sehr verschlungen, aber inhaltlich ein Brüller. Der junge Hauptdarsteller, Chevalier Des Grieux, bringt sich aus Liebe immer wieder in übelste Verstrickungen, die mit Knast und Schulden zu tun haben, kommt aber nicht im entferntesten auf die Idee, jemals arbeiten zu gehen. Hartmut ist zwar nicht Des Grieux, aber seine Allergie gegen Lohnarbeit ist ähnlich stark ausgeprägt.
    Trotzdem sagt er: »Wann sollen wir da sein?« Dabei nimmt er zugleich ein Bier aus dem Kühlschrank, um seine Unangepasstheit zu demonstrieren, wartet die Antwort kaum ab und geht durchs Wohnzimmer, im Vorbeigehen Yannick tätschelnd, auf den kleinen, brüchigen Balkon. Ich nehme auch ein Bier und folge ihm.
     
    »Männer brauchen Höhlen«, sage ich zu ihm, als wir draußen anstoßen und aus sieben Stockwerken Höhe zu der großen Grünfläche des Schillerparks hinübersehen.
    »Sie meinen es nicht böse, wenn sie sich zurückziehen«, antwortet Hartmut, und wir lachen ein bisschen. Trinken. Schauen in die Landschaft. Zwei Männchen auf ihrem Felsen. Eigentlich ist es hier gar nicht so übel. Im Nordosten der Schillerpark, im Westen der Volkspark Rehberge mit dem Möwensee. Im Süden liegt das Uniklinikum, das Deutsche Herzzentrum, die Technische Fachhochschule. Geht man die Transvaal- und Barfusstraße nördlich rauf bis zur Aroser Allee und Holländerstraße und nestelt sich dann durch die Sackgassen, kann man den Schäfersee finden. Das Paul Gerhardt Stift liegt nebenan, zwei Oberschulen und eine Stadtbücherei. Ich weiß, dass wir ausgerechnet in der Verlängerung der Barfusstraße wohnen, klingt, als hätte es jemand erfunden. Auch, dass deren Parallelstraße

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