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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Asphalt, der sich wie altes Kaugummi aufrollt, wachsen Löwenzahn und Springkraut.
    »Die weltberühmte Agentur verbirgt sich aber gut«, sage ich, als ich am Gebäude hochblicke und Caterina mit einem Chip, den man an einen Sensor halten muss, die Tür öffnet. Es ist 8 Uhr, und Hartmut gähnt alle zwei Minuten. Das Interieur besteht aus viel Glas und Stahl, das zweite Geschoss kann man wie eine Empore überblicken, zu den höheren Stockwerken führt ein Aufzug hinauf. Es erinnert mich an die Innenarchitektur riesiger alter Zechengebäude und Fabriken, die im Ruhrgebiet zu Attraktionen der Industriekultur umfunktioniert wurden. Die Empfangstheke hat diesen Namen verdient, die zwei jungen Frauen dahinter grüßen Caterina so heiter, als kennten sie sie schon zehn Jahre. Caterina führt uns nach links durch eine Glastür in einen weitläufigen, mit echtem Holzparkett ausgestatteten Raum. An den Wänden stehen Ledercouchen und nach Kunstobjekten aussehende Quader, auf denen man sitzen kann. Neben einer Treppe, die abwärtsführt, steht eine Leinwand, ein paar Meter vor ihr ein Beamer. Wir gehen hinab. Unten riecht es nach heißem Rührei mit Speck und frischen Brötchen. Ich beschleunige. Männer und Frauen verschiedenen Alters, die alle wie 24 wirken, bedienen sich an einem Büffet, das so appetitlich aussieht, dass ich den Job hier bereits jetzt annehmen möchte. Über Verdienst können wir ja später noch sprechen. Wir laden uns in ästhetisch fragwürdiger Weise Rührei, sieben Scheiben Käse, zwei Schüsselchen Marmelade, eine Schale Müsli mit Joghurt und drei Kürbiskernbrötchen auf den Teller und wollen uns gerade an einen der Tische setzen, als Caterina wieder treppauf zeigt, schon kauend.
    »Nehmt das bitte mit rauf. Jetzt ist Wochenmeeting.«
    Wir balancieren unsere viel zu vollen Teller die Treppe hoch. Der Raum hat sich gefüllt. Rund hundert Menschen hocken auf den Couchen und Quadern, stehen an der Wand oder kauern auf Fensterbänken, alle ihren Teller in der Hand und kauend, während zwei Männer sich neben Treppe und Beamer stellen und in die Hände klatschen.
    Caterina erklärt, während wir uns mangels freier Quaderplätze im Schneidersitz auf das Parkett hocken: »Das sind Mattes und Milo. Die Creative Directors meiner Abteilung. Es gibt insgesamt drei Großabteilungen, aber es hat sich so ergeben, dass sie immer das Wochenmeeting für alle leiten. Sie stehen drauf. Können das am besten.«
    Mattes ist recht klein, trägt eine randlose Brille und zur grauen Jeans ein paar Schuhe, die leger, aber teuer aussehen. Seine Uhr wird in Werbeanzeigen von Hochseeseglern getragen. Sein T-Shirt ist Größe M, weil es unterstreichen soll, dass er die knappe Fläche seines Körpers komplett mit Muskeln ausgestattet hat. Keine Bodybuildermuskeln, eher Tour-de-France-Muskeln. Milo ist ein schlaksiger Riese, dem das Haar absteht, wie es ursprünglich bei Harry Potter gedacht war. Er hat einen Dreitagebart, tiefblaue Augen und ein Lachen auf den Lippen. Kein Lächeln, ein Lachen. Es ähnelt dem von Tom Cruise. Auf der Leinwand erscheint ein silberner Sportwagen.
    Mattes sagt: »Guten Morgen. Hier seht ihr die Kampagne zum neuen SLK, die nächste Woche bundesweit starten wird. Gestaltet hat das Crew 2.«
    Auf der Leinwand werden einige flotte Anzeigenmotive vorgeführt. Am Ende läuft eine Art Abspann, bei dem die Verantwortlichen namentlich genannt werden. Sie stehen kurz auf oder nicken, während die restlichen Anwesenden klatschen und johlen.
    Ich frage Caterina: »Crew 2?«
    »So heißen hier die Abteilungen, Crews. Ja, ist ein wenig albern, aber ist Firmenkultur. Jede Crew konkurriert mit den anderen. Was genau sie treiben, wird immer erst hier gelüftet.«
    »Autos hin oder her«, sagt Mattes und reibt dabei seine Handflächen vor der Brust, als mahle er Nüsse, »wer echte Herausforderungen liebt, der stellt sich einer Imagekampagne für Sachsen-Anhalt!«
    Alles lacht. Ich lache einfach mal mit. Ich muss husten. Ein Kürbiskern schießt mir fast von innen in die Nase. Mattes schaut kurz herüber, stutzt, weil er mich noch nicht kennt, und spricht dann weiter. Milo steht die ganze Zeit nur hinter ihm und lacht lautlos. Strahlt wie ein Welpe. Feiert das Leben wie ein Kakadu.
    »Sachsen-Anhalt«, fährt Mattes fort, »dieser Herausforderung hat sich in den letzten Monaten die Crew 1 gestellt.«
    Einige aus besagter Crew nicken. Sie werden sicher in ein paar Minuten Applaus bekommen. Ich kaue Kürbiskerne.
    »Und

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