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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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unter unseren Füßen.
    Ich frage: »Warum sind wir dann würdelos?«
    Hartmut sagt: »Weil wir nichts auf die Reihe kriegen. Wir machen immer großes Theater, wir unterhalten die Leute sicher gut. Aber dann stehen wir da und sehen die Männer, die im Grunde genauso alt sind wie wir und die ihre zwei Kinder in die Kindersitze des Kombis verladen. >Lara und Anton an Bord.< Die Frau hat gute Zähne und zwei Kitaplätze für die Kleinen, und er bringt jeden Monat 4000 Euro netto nach Hause. Zweimal die Woche wird aus Kuscheln Sex, einmal im Jahr fliegt man nach Marokko oder Tunesien, und donnerstagsabends hat sie ihr Clübchen und er seinen Tennistreff mit Armin. Samstags holt er Mulch.«
    »Das klingt furchtbar«, sage ich.
    »Ja, aber ist es nicht auch furchtbar, dass wir das automatisch furchtbar finden?«
    Ich antworte nicht. Ich denke daran, wie sehr ich mir als Junge gewünscht habe, dass ich einen Vater hätte, der donnerstags zu Armin geht. Hatte ich aber nicht. Ich hatte eine Mutter, und wir lebten im zehnten Stock. Wir brauchten keinen Mulch. Es war in Ordnung so. Es war in Ordnung.
    Hartmut fuchtelt mit der Bierflasche. Eine Joggerin rennt an uns vorbei, Stöpsel in den Ohren.
    »Wir ziehen nur noch um und nennen das Abenteuer. Wir verdienen kein Geld oder verlieren es sofort wieder. Wir beraten Leute und erfinden Werbesprüche ... ich meine, was können wir eigentlich?«
    Ich sage: »Also perfekt kann ich Tekken, Star Gladiators und Rollcage.«
    »Nein, jetzt mal im Ernst. Mein Vater kann immerhin sagen:
    >Ich bin Lehrer. Oberstudienrat.< Deine Mutter kann sagen: >Ich betreibe eine kleine Baumschule.< Der Mann, der samstags Mulch kauft, sagt vielleicht: >Ich bin Schiffskonstrukteur.< Aber was sind wir?«
    »Wir sind urbane Penner«, sage ich. »Und bald Taxiunternehmer.«
    Wir erreichen die Treppen zur Schillerstatue. Ich zeige hinauf. »Lass uns mal da hochgehen«, sage ich. Wir gehen hoch. Auf der Bank neben dem alten Friedrich sitzt Samir. Er raucht seine Bong mittlerweile mit Holzkopf. Keine giftigen Plastikflaschen mehr. Ich gehe zu ihm. Hartmut folgt mir und streichelt die Schillerstatue.
    »Hey, Samir«, sage ich.
    Der Junge springt auf: »Woher kennst du meinen Namen? Wer schickt dich? Ich mach die platt, Mann! Ich mach dich Krankenhaus! Ich fick deine Mutter! Ich schieb dir Messer unter die Kniescheibe, bis du quietschst!«
    »Ganz sachte«, sage ich, »mich schickt niemand. Ich wohn hier ein paar Blocks weiter. Ich hab einen Job für dich.«
    Samir mustert uns. »Einen Job?« Er schüttelt den Kopf. »Ich mache keine Jobs mehr.«
    »Nein, nicht so was«, sage ich. »Keine krummen Sachen. Wir ziehen eine neue Firma auf, ein Taxiunternehmen. Jung und frisch. Wir brauchen noch Leute, die uns beim Renovieren des Firmengebäudes helfen. Die an Autos schrauben können. Flugblätter verteilen. Alles Mögliche.«
    Samir sagt: »Ein anständiger Job, hä?«
    Ich nicke.
    Hartmut hält Schillers Hand.
    »Und am Ende des Tages sagt ihr zu mir: >Wir müssen aber noch sehen, wie wir das mit dem Geld machen!<«
    Ich krame in meiner Hosentasche und ziehe einen Zwanziger raus. »Bei uns läuft das anders«, sage ich. »Wir wollen etwas ganz Verwegenes versuchen. Wir wollen unsere Angestellten bezahlen. Hier, den Schein geb ich dir, wenn du am Freitag um 19 Uhr in der Nummer 42 am Einsteinufer erscheinst. Auf der Klingel steht Jochen & Markx. Da treffen sich alle, die mitmachen wollen.«
    Samir stellt die Bong ab und angelt den Schein aus meiner Hand. Er steckt ihn ein. »Ich kann aber kein Taxi fahren, Mann. Ich bin erst siebzehn.« Dann öffnet er seine Augen weiter: »Aber mein Homie kann das!«
    Ich sage: »Der, der dir gesagt hat, du sollst mit den Plastikflaschen aufhören?«
    »Ja, ich ... woher weißt du das?«
    »Das sagt er doch jedem, der alte Beschützer.«
    Samir lächelt. »Ja ...«
    »Dann also Freitag?«
    »Dann also Freitag!«
     
    Auf dem Heimweg trinkt Hartmut die Flasche aus und stellt sie auffällig auf eine Mauer, damit ein Flaschensammler sie finden kann. Ich tue es ihm gleich und mache mir noch eine auf. Hartmut winkt ab. Auf der anderen Straßenseite laufen Ozgür und seine Gang, die sonst bei uns vor der Tür stehen. Sie bemerken uns nicht.
    »Meinst du, wir werden jemals samstags Mulch kaufen?«, fragt Hartmut.
    »Und Lara und Anton auf der Rückbank festschnallen?«, frage ich.
    Hartmut sagt: »Manchmal wünsche ich mir das.« Ich sage: »Sag das nicht zu laut. Solche Wünsche kommen bei

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