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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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manchen gar nicht gut an. Da giltst du schnell als Spießer.«
    Hartmut sagt: »Wir bauen das Taxiunternehmen auf, und diesmal ziehen wir es durch. Wir machen gute Kohle, wir managen nur noch, wir schaffen Arbeitsplätze, und dann kaufen wir ein fertiges großes Haus, bei dem nur noch der Mulch fehlt. Scheiß doch drauf, wie das ankommt.«
    »Ist der Ruf erst ruiniert ...«, sage ich.
    »Ja«, sagt Hartmut. »Ist schon lustig, womit man sich heutzutage den Ruf ruinieren kann, was? Früher musste man dafür Steine schmeißen und jeden Abend im Gemeinschaftsraum großer Gammler-WGs eine andere Frau ficken.«
    »Heute reicht schon Mulch«, sage ich.
    »Heute reicht schon Mulch«, sagt Hartmut.
    Dann gebe ich ihm doch noch eine Flasche.
     

Rocket Knight Adventures
    Am Freitagabend sitzen zwanzig Leute in Jochen und Marios Wohnzimmer. Jochen macht Tee und Kaffee, auf dem Tisch stehen Kekse und Haselnusswaffeln, wie es sie schon vor 15 Jahren gegeben hat, auf dem Plattenteller singt P. M. Sampson »I Love To Love«.
    »Also, wie viele Fahrer mit Personenbeförderungsschein haben wir hier?«, fragt Hartmut, während Susanne sich Honig, Zucker und einen Klecks Zuckerrübensirup in den Tee einfüllt.
    Fünf Männer heben die Hände. Mario, Samirs fürsorglicher Kumpel, ein junger Mann, den Susanne ihrem jetzigen Arbeitgeber abwerben konnte, ein Bekannter von Mario, der seit acht Jahren Praktikant ist, und einer von Cevats Freunden, der schon in Istanbul gefahren ist. Die restlichen Anwesenden wollen schrauben, bauen, werben oder sonstwie helfen.
    »Okay. Wer ist kompetent genug, beim Einkauf der ersten Wagen für die Flotte genau zu prüfen, dass wir nicht übers Ohr gehauen werden?« Hände heben sich, darunter die von Susanne. »Und die Wagen danach auf Erdgas umzurüsten.« Weniger Finger, aber immer noch ausreichend viele. »Wir müssen das alles voll auf Umweltschutz machen, wegen der Zuschüsse. Die Zuschüsse garantieren euch und uns, dass wir nicht erst später über das Geld sprechen, sondern sofort mit ein paar Euro in der Tasche beginnen können. Das Ganze soll schnell gehen, ratzfatz, schwuppdiwupp, peng! Wir teilen die Aufgaben effizient auf, und wir schlafen nicht mehr, bevor in Pankow nicht der fertige Fuhrpark von MyTaxi samt Anrufzentrale, Werkstatt und Aufenthaltsraum steht, klar? Wir treffen uns am Montag zum Kauf des Geländes und der zu renovierenden Gebäude. Ich muss sicher sein, dass wir uns alle aufeinander verlassen können. Sobald die Arbeit am Gelände und der Aufbau des Fuhrparks angelaufen sind, werden Caterina, ich und alle, die sich in der Branche auskennen, ein Werbekonzept entwerfen, das MyTaxi in aller Munde bringt, noch bevor wir den Betrieb aufgenommen haben.«
    Ich hebe die Hand: »Ist das vernünftig, Chef?«
    Hartmut sagt: »Bill Gates saß noch in der Garage und hatte von Windows nicht mal die Hälfte fertiggestellt, da investierte er bereits 70 % seines Startkapitals in Kampagnen, die der Welt klarmachen sollten, dass bald das System der Systeme das Licht der Welt erblickt. Das ist vernünftig.«
    »Wir brauchen auch ein muslimisches Taxi«, sagt Cevat.
    »Und ein buddhistisches«, sagt Jochen.
    »Unsere Taxen sind, was der Kunde wünscht. Haben wir Erfolg, kaufen wir mehr Autos und können die dann auch fest an ein Konzept binden.«
    Susanne sagt: »Wir könnten einen kultigen kleinen Film für YouTube drehen. Einen, der nicht nach Werbung aussieht, aber auf das Bedürfnis nach unnervigen Taxen aufmerksam macht.« Sie nickt, als wolle sie sich selbst bekräftigen, trinkt von ihrem Honigzuckersiruptee und beißt von einem halben Brötchen ab, auf welchem sie Harzer Käse mit Pflaumenmus kombiniert hat. Obenauf liegt eine Olive.
    Samir sagt: »Oh, deine Frau ist schwanger? Glückwunsch, Alter!«
    Susanne hält im Abbeißen inne, das Brötchen im Mund. Zwei große, runde Augen schicken ihren Blick durch die Pflaumenmusharzerkäseolivenlandschaft über den Gebäckrand hinweg zu dem jungen Mann. »Mmmmwaf?«, nuschelt Susanne, den Teig in den Bäckchen. Sie schüttelt den Kopf und wedelt mit der Hand. »Meim, meim, meim ...«
    Hartmut sieht seine mummelnde Freundin an wie Milo vor ein paar Tagen die Schlesierin angeschaut hat, als sie aus Versehen den Claim für das böse Breichen erfand. Er friert ein, um das erste Mal im Leben richtig auftauen zu können, und dann strahlt er so rein, so klar und so ohne jede Verschmutzung durch unnötige Gedanken wie die Luft über den glitzernden

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