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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Eisbergen der Arktis, wenn die Sonne aufgeht und die Pinguinpärchen ihre Bäuche über die Eier stülpen.
    »Natürlich«, sagt er, »die Karotten mit Nutella, der Tee mit Zuckerrübensirup ...«
    Ich füge hinzu: »Die Paprikahälften mit Erdnussbutter, die übertriebene Rührung, wenn bei Super Monkey Ball das Babyäffchen als Spielfigur gewählt wird ...«
    Susanne hat ausgekaut und schluckt runter: »Kommt, jetzt hört aber mal auf. Ich bin nicht schwanger! Ich habe Stress. Wir haben kein Geld. Da futtert man halt alles, was einem so aus dem Kühlschrank entgegenfällt.« Caterina hockt sich neben sie, streichelt ihren Arm und sagt: »Dass ich das nicht bemerkt habe. Na ja, ich bin ja kaum zu Hause ...«
    »Respekt, dass du so fruchtbar bist, Alter«, sagt Samir zu Hartmut. »Ich glaub, ich hab mir die Vaterschaft mit den Plastikbongs schon weggeraucht.«
    Susanne steht auf: »Ich bin nicht schwanger!«
    Hartmut berührt sie mit den Fingerspitzen an den Oberarmen: »Aber Schatz, das wäre doch wunderbar. Ich könnte Mulch kaufen.«
    »Was? Ach ... nein, ich bin nicht schwanger. Wie soll ich denn schwanger sein? Wir wollen ein Taxiunternehmen gründen. Wir leben in Wedding und haben ständig eine gewalttätige >Schutzmacht< vor der Tür. Wir sind immer noch pleite. Wir sind nicht verheiratet. Wie soll ich denn schwanger sein?«
    Hartmut sagt: »Schatz, Gott hat die Mammutbäume erschaffen. Und Sri Lanka. Und Amrum. Und das Hicks-Teilchen. Er wird auch eine gesunde Niederkunft trotz Firmengründung hinkriegen. Und heiraten können wir meinetwegen sofort. Wir fahren ans Meer, gleich morgen, in eine Windmühle auf Föhr.«
    »Fahrt doch nach Vegas«, sagt Cevat.
    »Oder zu den heißen Quellen in Island«, sagt Jochen.
    Susanne löst sich von ihm und geht zwischen Wohnzimmer, Küchentür und Spielzimmertür auf und ab, den Blick von 20 Leuten auf sich. Ihr Blick bleibt auf nichts mehr hängen. Sie wirkt, als könne sie nun Erdnussbutter mit Waschmittel essen. Sie rauft sich die Haare.
    »Ich hab das so nicht geplant. Ich ... wollte erst mal ankommen. Irgendwo. Dann hänge ich plötzlich in der Spülmaschine eurer Bochumer WG, rette euch das Haus, du wirfst mich wieder raus und ich komme wieder, weil du in der Zwischenzeit verrückt geworden bist; süchtig nach Exzess und dann süchtig nach Askese. Dann mache ich mit euch Akademiker zu Automechanikern, das Haus bricht zusammen, wir ziehen nach Hohenlohe, und ich helfe Caterina und Pierre bei Ausstellungen im Schloss Bartenstein. Ihr rettet ein uraltes Fachwerk und verkauft es gleich wieder, ich suche irgendwo Gaszüge auf Schrottplätzen, weil wir auf Tournee sind, du schreibst heimlich ein Buch, ich besorge dir einen kleinen Deal, und ehe ich mich versehe, bin ich auch schon schwanger??? Ich bin nicht schwanger! Ich war die ganze Zeit abgelenkt. Ich bin nicht vorbereitet.«
    Hartmut, Caterina und ich umzingeln sie. Die Familie. Wir sagen: »Aber wir sind vorbereitet. Wir alle zusammen.«
    »Wir schaffen das schon.« »Wir kaufen Bücher.«
    »Guck, Hartmut hat bis zur Volljährigkeit die ganze hintere Stadtbücherei gelesen, der weiß in sechs Wochen alles über Schwangerschaft und Kinderaufzucht.«
    »Ich baue ein Kinderbett.«
    »Ich male die Wand im Kinderzimmer an.«
    »Ich mache die Windmühle auf Föhr klar.«
    Susanne hebt die Hände: »Nein, stopp, hört auf!« Sie zeigt auf das Türschloss des Spielzimmers und bittet Jochen, den Raum aufzuschließen. Der folgt dieser Bitte, sie geht hinein, zeigt fahrig auf eine Konsole und setzt sich in einen Sessel vor die Fernseher. Jochen geht zu einem Regal, zieht den Karton von Rocket Knight Adventures heraus, legt das Modul in die Mega-Drive-Konsole, schaltet ein und gibt Susanne das Joypad. Wunderbare, unnachahmliche, heutzutage durch Symphonien ersetzte Chiptune-Musik ertönt, als Susanne zu spielen beginnt, mit hartem Druck auf die Buttons und dem finsteren Blick der Agentin Chloe O'Brian aus der Serie »24«. Die Augenbrauen weit nach vorn über die Augen geschoben, die Lippen leicht gestülpt, in den Augen ein kindlicher Trotz. Wir stehen in der Tür, lassen Jochen raus und verhindern, dass sonst jemand reingeht. Wir warten einen Moment ab. Susanne steuert die kleine blaue Ratte Sparkster über Hügel, Plattformen und rotglühende Seen. Sie hüpft, sie schießt und sie weicht aus in einer Vollendung, wie man sie nur hinbekommt, wenn man sich ablenken muss. Die Aufmerksamkeit zerfasert dann nicht, sondern wird wie

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