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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Liebe. Du schnitzt noch Muster in die Schranktüren, du baust eine extra Katzenkoje, alles. Und dann stehst du irgendwann davor und musst ihm einen Namen geben. Einen Namen, der alles auf den Punkt bringt, was dir wichtig ist und wofür das Schiff steht. Der nicht kitschig oder pathetisch ist, aber auch kein Nonsens oder alberner Flachs. Der unüblich ist, am besten einzigartig in allen Häfen der Welt, dabei aber nicht bemüht oder konstruiert. Ein Name, zwei oder vielleicht drei Wörter. Einer für alles.«
    Ich kaue auf dem Zahnfleisch im Inneren meiner Wange herum. Veith und Torsten klackern und texten. »Das ist schwer«, sage ich.
    »Eben«, sagt Gerd. »Deswegen habe ich durchaus Respekt vor den Jungs. Die machen so lange weiter, bis am Ende die Perfektion steht. Der eine Spruch, dem niemand etwas anhaben kann. Unverwundbar, wie in Stein gehauen.«
    »Ja«, sage ich und starre auf Gerds Meißel. »Wie heißt dein Schiff?«
    »Es heißt >Why not?<«, sagt Gerd. Ich lächele. Das ist gut.
    Dann klingelt mein mobiles In-House-Telefon.
    »Ja?«
    »Hier ist Milo. Ihr kloppt gerade den Sperrmüll auseinander, nicht wahr?« »Ja.«
    »Dann komm mal bitte hoch, ich habe hier noch einen alten Rechner, der wegmuss. Ihr wisst, wie kompliziert Rechnerentsorgung geworden ist.«
    »Wie alt?«
    »Sehr alt.«
    »Wie alt genau?«
    »Wieso willst du das wissen?«
    »Älter als 15 Jahre?«
    »Ja, gut, erwischt, ich hab ihn von daheim mitgebracht, um ihn über die Firma mitzuentsorgen, damit's billiger wird.«
    »Also älter als 15 Jahre.« »Ja, ein 386er.«
    »Dann brauchen wir ihn nicht auseinanderbauen, dann kenne ich jemanden, der ihn so nimmt, wie er ist. Ich bin gleich oben.«
    Ich entschuldige mich bei Gerd und passiere Veith und Torsten an der Tischtennisplatte.
    »Essen macht sexy!«
    -   Klack!
    »Nie mehr um den heißen Brei herumreden!«
    -   Klack!
    Ich nicke ihnen zu und verschwinde Richtung Treppe.
     
    In Milos Büro mit den Glaswänden steht ein Baseballschläger aus Schaumstoff. An den Wänden kleben Poster der besten Kampagnen und zahlreiche Fotos von Betriebsausflügen nach Tirol und an die französische Küste. Auf seinem Schreibtisch liegt ein leise vibrierendes iPhone. Daneben steht der antike Rechner, den ich Jochen zu schenken gedenke.
    »Hi!«, sage ich, und hinter mir schließt sich langsam die Glastür.
    Milo nickt nur, dreht einen Bleistift in den Fingern und notiert zwei Claims auf einen A5-Block, der bereits zur Hälfte gefüllt ist. Neben dem Block steht, wie eine Skulptur im Museum, ein Glas des bösen Breichens. Der Chef denkarbeitet selbst, das finde ich gut. Die Bleistifte gibt es nur in dieser Agentur. Sie sind aus recyceltem Holz, liegen gut in der Hand und tragen die Aufschrift: »Hier drin steckt deine Idee.« Milo legt ihn ab.
    »Und? Auch schon 500 Claims erfunden?«, sage ich aus Spaß, und Milo blättert in seinem Block zurück.
    »325«, sagt er. Er steht auf, lässt seinen Schreibtischstuhl ein Stück zurückrollen und geht zum Fenster. »Wir haben einfach keinen Durchbruch. Das ist alles ... okay. Ganz originell, ganz frech, ganz witzig, aber eben alles nur >ganz<, weißt du. Nett.«
    »Nett ist die Schwester von Scheiße«, sage ich, weil das früher immer mein Arbeitskollege Martin bei UPS gesagt hat.
    Milo wirbelt herum, ein Feuerchen in den Augen. »Ja, genau.« Das Feuerchen erlischt wieder. Er zeigt auf den Rechner. »Da ist das alte Ding. Windows 3.1 ist noch installiert und ein paar alte Spiele, Prince Of Persia, Sim City, so was.«
    »Ganz prima«, sage ich.
    Die Glastür geht auf. Eine kleine Frau von nicht mal 1,50 Meter kommt herein, einen Wischmopp und ein Staubtuch in der Hand. Sie wirkt, als habe sie eigentlich eine Größe von 1,70 Meter, würde aber jeden Morgen von einer großen Hand auf 1,50 Meter zusammengepresst, um schneller arbeiten zu können. Ihre Wangen wölben sich rot, als blase sie sie ständig auf. Ihr T-Shirt ist eine Nummer zu klein. Sie schwitzt. Drei Achselhaare drängen an die Außenwelt. Sie riecht nach kaltem Zigarettenrauch. »Guten Morgen«, sagt sie in so deutlicher Artikulation, wie es Touristen in einer Fremdsprache tun. Dann wirbelt sie mit dem Staublappen durch Milos Regale. Sie hebt nichts an und rückt nichts weg. Sieht man genau hin, berührt der Lappen nicht einmal das Holz.
    »Das ist Frau Cullmann«, sagt Milo und lehnt sich gegen die Fensterbank. »Sie hat schlesische Vorfahren.«
    Wir beobachten die kleine Frau, wie sie die

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