Feindesland
zum Abschied, und wir gehen die Treppe durchs Atrium hinab.
»Was war das für ein Magazin, das er gelesen hat?«
»Sag ich nicht.«
»Wie, sagst du nicht? Du hast immerhin daran erkennen können, dass er Kommunist ist.«
»Eben. Das Ding ist so speziell, das wird bestimmt vom Verfassungsschutz beobachtet. Also sprich nicht mehr darüber. Jedenfalls nicht, solange man uns hören kann.«
Gegen 21 Uhr kommen wir nach Hause. Ich habe einen Widerwillen gegen diesen Begriff entwickelt, einerseits. Andererseits ist zu Hause da, wo Frauen, Tiere und Konsolen sind. Frauen und Tiere stehen bereits in der Wohnungstür, als wir kommen, und winken uns herein. Sie haben einen Audruck im Gesicht, als würden sie gleich berichten müssen, dass der Onkel Krebs hat oder es in der Geburtsstadt eine Flut gab. Caterina schließt schnell die Tür hinter uns, Susanne hält uns ein kariertes Blatt Papier vor die Nase. Darauf steht in dicker Eddingschrift gekritzelt:
»IHR ZAHLT ODER IHR WERDET BEZAHLEN!«
Hartmut sagt: »Das ist ein guter Claim. Mein lieber Scholli, diese Typen sollten in die Werbung gehen.«
Susanne reißt das Papier runter und haut es auf ihren Oberschenkel: »Hartmut, das ist nicht lustig! Ich werde Mutter! Ihr wurdet schon mehrfach von denen zusammengeschlagen!«
»Sie schützen uns vor nichts, sie arbeiten mit den anderen zusammen.«
»Na, das hilft uns ja weiter, dieses geheime Wissen. Dann wissen wir wenigstens, warum wir von allen Seiten aufs Maul kriegen!«
Caterina sagt: »Susanne-Süße, beruhige dich.«
Ich sage: »Wir fangen morgen früh an, in Pankow zu bauen. Das Erste, was wir machen, sind Wohnräume, okay? Das ist kein Ding, ist alles da. Es gibt sogar ein Bad. Wir verkabeln das ganze Gelände. Wir machen da eine Festung.«
Susanne setzt ihren Chloe-Blick auf: »Und dann verdienen wir sehr schnell sehr viel Geld, damit der Kleine ein solides Zuhause hat.«
»Oder die Kleine«, sagt Hartmut.
Es klopft. Roland von nebenan steht in der Tür, einen Adventskranz in der Hand. So einen haben wir nicht gekauft. Nur jede Menge Bücher und Plätzchen. »Ich habe heute in der City diesen Adventskranz gekauft«, sagt er. »Auf dem Heimweg bemerkte ich, dass ich letzte Woche um diese Zeit in der City einen Adventskranz gekauft habe.« Wir kichern. Susannes Blick hellt sich etwas auf. »Wollt ihr ihn haben?«
»Gern«, sagt Caterina, nimmt das Geflecht mit den gelben Kerzen und stellt es auf den Tisch in der Küche.
»Kaffee?«
Roland nickt.
Caterina gießt aus der Kanne auf der Warmhalteplatte ein, stellt die Tasse auf einen Unterteller und legt zwei Plätzchen aus einer Tüte auf der Spüle dazu.
»Danke«, sagt Roland, trinkt, beißt in ein Plätzchen und sieht aus dem Fenster, als ziehe eine Wolkenfront auf. »Hab von Cevat gehört, ihr macht diese Taxifirma auf?«
»Cevat plaudert gern, was?«
»Wir sind Nachbarn, seit drei Jahren. Balkon an Balkon.« Roland kaut. »Ist eine gute Idee, die ihr da habt. Ich frage mich nur, wann ihr das alles restaurieren wollt. Ihr habt doch gerade alle Jobs, oder?«
»Hartmut und ich sehen das nicht so eng, weil wir nur ab und an Geld kriegen. Und wir haben viele Helfer. Abends sind wir wahrscheinlich demnächst alle in Pankow. Wahrscheinlich übernachten wir auch dort. Einfach weitermachen, bis alles fertig ist.«
»Das lob ich mir«, sagt Roland. »Wenn ich helfen kann, sagt rechtzeitig Bescheid. Ich bin nur noch bis zum kommenden Wochenende hier. Dann fahre ich zu meiner Mutter aufs Land bis zum Jahreswechsel. Die wird auch nicht jünger.«
»Zu Beginn ist es sowieso erst mal viel Planung. Viel Einkaufen, viel Herumgegurke«, sage ich.
»Ich denke, es reicht, wenn Roland im neuen Jahr dazustößt, oder?«, sagt Caterina. Wir stimmen zu.
Er trinkt aus, stellt die Tasse auf dem Küchentisch neben seinem gespendeten Adventskranz ab und klopft dreimal auf die Tischplatte. »Na dann«, sagt er, »ein frohes Fest und einen guten Rutsch, falls wir uns nicht mehr sehen.«
Hartmut sieht ihm nach, bis sich die Tür schließt. Dann zündet er die Kerzen an, zieht eine Flasche Glühwein, eine Packung Spekulatius sowie ein paar Dominosteine aus unserer Einkaufstüte, gießt den Glühwein in einen Topf, stellt ihn auf den Herd, setzt sich an den Tisch und breitet die Hände aus: »Kommt her, meine Schwestern und Brüder, und speist mit mir.«
Susanne setzt sich, seufzend, als hätte sie schon einen dicken Bauch. Sie sagt: »Wir speisen, und dann planen wir die
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