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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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jetzt werd ich nicht mehr«, sagt Hartmut und dreht sich auf der Stelle, wie er es manchmal tut, bevor er etwas zerstört oder mit Obst schmeißt.
    »Komm, lass uns einfach rausgehen«, sage ich, denn mir ist ohnehin unwohl in dieser Halle. An den Wänden über den Ständen hängt Imagewerbung des Moralministeriums und des neuen Spending-Mall-Partners Payback. Ab dem 01.01. kann man beim Spenden Punkte sammeln. Ich schiebe Hartmut raus.
    »Das ist doch alles nicht zu fassen«, schimpft Hartmut. »Wenn das einer erfinden würde, in einem Buch oder so, die Leute würden doch sagen: Was ist denn mit dem los? Hebt der jetzt total ab? Hat der den Schuss noch gehört? Aber das ist nicht erfunden. Das ist echt. Ich brech zusammen!« Wie immer, wenn er es ankündigt, bricht Hartmut zusammen.
    Kaum hockt er auf dem Boden des Alexanderplatzes, tippt ihm ein amerikanischer Tourist auf die Schulter. Der Mann trägt eine Baseballmütze und ein Ich-war-dabei-Shirt der letzten Bruce-Springsteen-Tournee.
    »Excuse me, Sir. What's this?« Der Mann zeigt auf die Bettlerhalle.
    Hartmut schaut zu mir und dem Ami hoch. »Was sag ich denn jetzt?«, flüstert er, »Spending-Mall ist doch kein Englisch. Der lacht sich kaputt.«
    Ich sage: »That's a, äh, that's a, what's the english word, a ...«, ich fuchtele mit den Armen, »a bettel zone.«
    Der Ami lacht und macht Boxbewegungen. »Oh, I see, a battle-zone.«
    »No«, sagt Hartmut, »no battlezone. Bettel-Zone. Äh, verdammt was heißt denn noch gleich betteln?«
    Der Ami hüpft auf und ab und freut sich. Er macht eine Gewehrhaltung nach und tut so, als drücke er ab. Wahrscheinlich denkt er, es gäbe in dem Gebäude spannende Paintballspiele oder Ähnliches. »Battlezone, that's cool!«, sagt er. Dann krempelt er die Ärmel hoch, rückt seine Kappe gerade und stapft zielstrebig auf die Halle zu.
    »No, no battle ...«, ruft Hartmut ihm hinterher, »ach, ist ja auch egal.«
     
    Eine Viertelstunde später stöbern wir durch das Kulturkaufhaus Dussmann, das eigentliche Herz der Friedrichstraße. Drei kleinstadtgroße Etagen voller Bücher und Musik, in der Mitte ein großes, rechteckiges Atrium. Ich suche Kunstbücher oder »Woran man sieht, dass auch der eigene Freund Vater werden will«-Frauenratgeber für Caterina, Hartmut sucht »Was tun, wenn man selbst Vater wird«-Ratgeber für sich und ein paar unverfängliche, aber dennoch exzellente Romane für die Bemusterung der Blutsverwandtschaft am Nikolausfest. Die beratenden Verkäufer haben mit uns keine Arbeit, da wir unseren eigenen Augen trauen, und schwärmen heimlich zur Zigarettenpause aus. Vor einer Stapelinsel mit gemischten aktuellen Bestsellern unterhalten sich zwei Kunden.
    »Wie ist der denn?«
    »O nein, den kann ich nicht empfehlen, den hab ich im Urlaub gelesen.« »Übel?«
    »Ja, ganz übel. Kann man gar nicht mit Stephen King vergleichen. Verwendet so komische Einschübe und Rückblenden. Sogar Vorwärtsblenden. Polizeiprotokolle. Pathologieprotokolle. Manchmal weiß man gar nicht, wer gerade eigentlich spricht.«
    »Hm. Mein Schwager liest auch Thriller. Muss nicht unbedingt Horror sein. Politthriller wäre nicht übel. Wissenschaftskrimi. So was.« Der Für-den-Schwager-Geschenke-Sucher nimmt ein anderes Buch in die Hand. »Das soll doch sehr gut sein in der Richtung.«
    Sein Bekannter winkt ab und zieht dabei eine Schnute. »O nein, nein, nein, total überschätzt. Kann man gar nicht mit Michael Crichton vergleichen. Der Stil ist ganz anders. Der baut sogar eine Lovestory mit ein. Gibt sich hart, ist aber sehr seifig das Ganze.«
    »Und das hier? Börsenthriller, Großkonzerne, Korruption.«
    »Hab ich auch reingeguckt. Nicht übel, aber kein Vergleich zu Michael Ridpath.«
    »Dann kaufe ich ihm was Lustiges. Hier, auf dem Buch steht, das sei wie Tommy Jaud. Tommy Jaud ist tatsächlich sehr lustig, den hab sogar ich mitbekommen.«
    »Finger weg, sonst verbrennst du dich total. Das wie Tommy Jaud? Dass ich nicht lache. Das ist irgend so ein Werbespruch des Verlags. Tommy Jaud ist wirklich witzig, aber das da, das hat auf 300 Seiten vielleicht zwei Lacher. Total gestelztes Zeug. Kann man überhaupt nicht mit Tommy Jaud vergleichen.«
    Während der Mann seinem Bekannten von jedem erhältlichen Bestseller abrät, fliegt Organisches heran und landet auf dem Boden vor der Verkaufsinsel. Erst eine Mandarine. Dann eine Kokosnuss. Die Kokosnuss ist bedeutend lauter beim Aufprall. Geworfen hat beides Hartmut. Obst, das sich

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