Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
Vom Netzwerk:
mindern, durch Umweltschutzmaßnahmen und Förderung zum Beispiel. Durch eine Kantine, die nur Bio kocht. Durch präventiven Betriebssport. Erhöhen lässt sich der Satz aber auf jeden Fall. Lassen Sie in Ihrer Belegschaft den Vorbestraften weg, sind Sie schon auf 20 %.«
    »Wollen die, dass man überhaupt kein Geld mehr verdient?«
    »Geld verdienen ist obszön«, sagt Herr Hirschfeld. »Sagen die, nicht ich.« Er packt seinen Kalender in eine Tasche. »Den grundsätzlichen Spendensatz können Sie allerdings abmildern, wenn Sie ab und zu als Unternehmer durch die Spending-Mall gehen.«
    »Wodurch?«
    »Die Spending-Mall. Ja, ist schlechtes Englisch, ich weiß, ich habe es nicht erfunden. Das haben Sie auch noch nicht gesehen? Sagen Sie mal, schauen Sie sich die Stadt überhaupt an? Es gibt schon zwei. Eine am Alexanderplatz und eine zwei Blocks vom Adlon. Die Regierung hatte dort erst Bettelzonen eingeführt, ganz offizielle, unterteilt in Bettelsteuerklassen. Die armen Schlucker sollten ihre Gewinne melden und abführen, dafür würden sie offiziell anerkannt und krankenversichert und nie mehr polizeilich belästigt. Wie die Prostituierten. Na, jedenfalls wurde das teuer, denn als die Bettler plötzlich offiziell waren, mussten sie Spendenquittungen ausstellen können und ordentliches Wechselgeld haben. Kassen. Die Kassen mussten gestellt werden. Es gab Krieg um die besten Plätze. Deshalb haben sie kurzerhand die Spending-Malls eröffnet. Als Gegenmodell zur Shopping-Mall. Shopping-Malis finden sie sowieso obszön. In der Spending-Mall lassen die Leute auch ihr Geld, aber sie gehen nicht mit Einkaufstüten voller Plunder, den zu brauchen ihnen die Industrie eingeredet hat, sondern mit dem guten Gefühl, das Richtige getan zu haben. Sage wiederum nicht ich. Sagen die. Ich sage das nicht. Ich grabe und grille.«
    »Und wenn ich als Firma dort mein Geld einfach den Bettlern gebe, dann ...«
    »Dann bekommen Sie Nachlässe auf Ihre Spenden per Rate, ja.«
    »Das ist doch Jacke wie Hose«, sage ich.
    »Unterm Strich schon«, sagt Herr Hirschfeld. »Aber in der Spending-Mall können Sie wenigstens selbst bestimmen, wer Ihr Geld bekommt.«
    »Die Frage ist also nicht mehr, ob ich mein Geld abgeben muss, sondern nur noch, wem«, sagt Hartmut.
    »Langsam beginnen Sie, das neue Berlin zu begreifen«, sagt Herr Hirschfeld.
     

Die Spending-Mall
    Nachdem der Kauf des Firmengeländes abgeschlossen ist, fahren Hartmut und ich in die Innenstadt, um uns eine Spending-Mall anzusehen. Kommendes Wochenende ist zudem der 1. Advent, und es wäre angebracht, ein wenig stimmungsvolle Dekoration zu kaufen. Gerade als werdende Familie macht man das so. Erste Geschenkeinkäufe sind auch denkbar.
    Die Mall am Alexanderplatz wurde dem Gebäude angebaut, in welchem früher unter anderem ein Elektrogroßmarkt untergebracht war. Auf dem Vorplatz tummelten sich damals Punks, Obdachlose, Junkies und ironisch gebrochene Moderatoren von »Polylux«. Jetzt ist der Vorplatz friedlich, und die Obdachlosen bieten sich und ihr Leben in der Spending-Mall feil. Zu verkaufen haben sie nämlich in der Tat nichts. Man könnte es ja meinen, ein wenig Trödel wenigstens oder Kastanienmännchen. Früher verschickte man ja auch kiloweise Postkarten von Fußmalern zu Weihnachten. Aber hier gibt es keine Ware fürs Geld. Die Boxen der Bettler sind wie kleine Messestände aufgebaut und erzählen das Schicksal der Männer und Frauen. In Text und Bild. Ein paar wenige, die bereits Eckstände besitzen, haben von Studenten der UdK Filme drehen lassen. Soeben stehen wir vor einem, der in pathetischen, verlangsamten Bildern den Abstieg eines Mannes vom Betriebsleiter zum arbeitslosen Alkoholiker zeigt. In der Schlusseinstellung fällt er neben dem Fernsehturm auf die Knie und hebt die Hände flehend gen Himmel, wie um Gott zu fragen, warum er ihn verlassen hat. Dazu schmettert Paul Potts eine Arie.
    »Bitte geben Sie mir was, oder gehen Sie weiter«, sagt der Erfolgsbettler, »Sie versperren sonst anderen Kunden die Sicht.«
    »Kunden?«, sagt Hartmut. »Was verkaufen Sie denn? Kunden! Ich glaub, mir fällt ein Ei aus der Hose!«
    »Ich verkaufe eine Story. Darum geht es doch, oder? Eine Story und gutes Gewissen. Sie spenden doch auch auf der Straße. Oder in der U-Bahn.«
    »Weil die Leute da die Leier rausholen und ein Liedchen singen«, sagt Hartmut.
    »Sie sind bloß sauer, weil wir hier zu erfolgreich werden. Wie wenn Bob Dylan auf einmal E-Gitarre spielt.«
    »Ja,

Weitere Kostenlose Bücher