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Feindfahrt

Feindfahrt

Titel: Feindfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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vollen Wut des Orkans geschützt. Prager hockte, an die Koje gelehnt, auf dem Boden und hielt mit beiden Händen die Rumflasche. Er hatte sie fast ganz geleert und spürte endlich die Kälte nicht mehr. »Bald, Gertrud«, flüsterte er vor sich hin. »Bald...« An der ei nen Schreibtischseite saß Schwester Angela und betete. »Rette uns, Herr, vor dem Untergang. Die Lebenden werden Dich loben und preisen. Befiehl den tobenden Stürmen und der brül lenden See, auf daß wir, aus der Not erlöst, leben und Dir die nen dürfen und an jedem Tag unseres Daseins Deinen geheilig ten Namen rühmen.«
    Die Tür ging auf, und Helmut Richter kam herein. Er warf die Tür hinter sich ins Schloß. Dann sah er sich nervös in der Kajü te um. Schwester Angela fragte besorgt: »Ja, Herr Richter?« »Wo ist Maria?«
    Als Schwester Angela die betenden Hände voneinander löste, entdeckte sie, daß sie hemmungslos zitterten. »Maria?« Benommen sah sie sich um. »Hat jemand Maria gesehen?« Schwester Brigitte schluchzte laut. Richter ging auf Prager zu und riß ihn auf die Füße. »Sie hatten Befehl, die Schwestern aus dem Salon heraufzuholen. Kurz bevor wir aufliefen. Ist Maria nicht mit hier herübergekommen?«
    »Aber sicher« , antwortete Prager. »Ich war ja direkt hinter ihr.« »Sie ist noch mal umgekehrt« , m eldete sich Schwester Regina zu Wort. Richter fuhr auf. »Das kann doch nicht wahr sein!« »Ich hörte , wie sie sagte , sie hätte etwas vergessen« , erklärte Schwester Regina wie geistesabwesend. »Und dann ist sie hi nausgegangen.«
    Richter riß die Kajütentür auf und stürzte an Deck. Er wollte
    den Niedergang hinunter , aber das Deck und die Aufbauten waren geborsten und verzogen, der Weg in den Salon von ei nem Gewirr von Wrackteilen versperrt.
    »Maria?« rief er aufgeregt. »Maria?« Aber er bekam keine Antwort. Jago war der erste, der sah, wie er mit Hilfe der Handleine, die sie gezogen hatten, das Deck überquerte. Be sorgt zupfte er Kapitän Berger am Ärmel. »Wo will der hin?« »Weiß der Teufel«, erwiderte Berger.
    Richter zog seinen Finnendolch, ließ die Klinge heraussprin gen, durchschnitt die Taue, mit denen die Ladeluke festgezurrt war und die erstaunlicherweise gehalten hatten, und ver schwand im vorderen Laderaum.

    Die Morag Sinclair hatte fast den höchsten Punkt des Pfades erreicht, der von der Seerettungsstation heraufführte. Sie lag auf einem Bootswagen mit überbreiten Eisenrädern, der seit ewigen Zeiten nicht mehr benutzt worden war. Gericke hatte es nicht für möglich gehalten, das Boot auf den Wagen zu schaf fen, aber die Lösung war denkbar einfach gewesen. Die Leute hatten es in die Brandung zurückgeschoben, vom Wasser auf den Wagen heben lassen und beides dann wieder an Land ge zogen. Jetzt, dicht unterhalb des Hügelkamms, wurde der Wa gen von elf Ackergäulen, einundvierzig Frauen , achtzehn Kin dern und elf Männern gezogen . Gericke und Lachlan bildeten den Schluß und blockierten die Räder alle paar Meter mit Holzbalken. Der mit Graupeln vermischte Regen peitschte ih nen schmerzhaft die Haut.
    Ein oder zwei Meter vor Janet stürzte eine Gestalt in langem Ölzeugmantel zu Boden. Sofort verließ sie ihren Platz am Zug seil und eilte hin. Zu ihrem Schrecken entdeckte sie, daß es sich um eine zierliche, weißhaarige Frau von mindestens sieb zig Jahren handelte. Ihre Handflächen waren blutverschmiert. Benommen starrte sie auf das Blut, dann hob sie ihren langen Rock an und riß Stoffstreifen vom Saum ihres Unterrocks. Als sie sich die Streifen um die Hände wickeln wollte, versuchte Janet sie an den Wegrand zu ziehen. »Sie müssen sich hinset zen.« Die alte Frau stieß sie unwirsch von sich. »Lassen Sie mich in Ruhe, Mädchen!« Auf unsicheren Füßen lief sie weiter und nahm ihren früheren Platz wieder ein.
    Mein Go tt , da s is t ja Wahnsinn! dachte Janet.
    Auf einmal stand Murdoch neben ihr und zog sie energisch hoch. »Fehlt Ihnen was, Janet?« »Nein, nein - danke. Alles in Ordnung.«
    »Warum haben Sie dann Ihren Platz verlassen?«
    Er funkelte sie böse an wie ein alttestamentlicher Prophet, der den Zorn Gottes auf einen Sünder herabruft. Sie zuckte vor seinem Unwillen zurück und rannte, ständig ausrutschend und stolpernd, an der Kolonne entlang nach vorn, zu ihrem Platz neben Jean Sinclair. Die Zeit hatte jede Bedeutung verloren; Janet lebte wie in einer endlosen Agonie, während sie mit aller Kraft zog und rings um sie her die Stimmen anstiegen, als sich

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