Feindfahrt
Schreibtisch , an dem Berger auf einer Seekarte, die er vor sich ausgebreitet hatte, mit dem Parallellineal arbeitete.
Er blickte auf; seine Miene verriet Erleichterung. »Ich hatte mir schon Sorgen um Sie gemacht.«
Berger war achtundvierzig, mittelgroß , mit kraftvollen Schul tern; das drahtige , dunkle Haar und der Bart graumeliert , das Gesicht von Sonne und Meer wettergegerbt .
»Das tut mir leid« , gab Prager zurück . »Aber wir gerieten auf dem Flug von Rio hierher in einen Gewittersturm. Der Pilot wollte unbedingt in Carolina runtergehen , bis es wieder auf klarte. Vier Stunden haben wir warten müssen.«
Berger öffnete eine Sandelholzkiste und bot ihm eine Zigarre an. »Wie lauten die letzten Kriegsnachrichten?«
»Gar nicht gut.« Prager setzte sich
auf den Stuhl dem Kapitän gegenüber und ließ sich von
Berger Feuer geben. »Gerade sind alliierte Streitkräfte an
der Mittelmeerküste gelandet . Vor zwei Tagen sind französische Panzer in Paris eingerollt.«
Berger stieß einen leisen Pfiff aus. »Dann ist der Rhein das
nächste.«
»Höchstwahrscheinlich.«
»Und anschließend Deutschland.« Er stand auf , trat an einen Schrank und holte eine Flasche Rum mit zwei Gläsern heraus. »Was machen die Russen?«
»Die Rote Armee steht an der
ostpreußischen Grenze.« Berger goß Rum in die beiden
Gläser und schob eines davon über den Schreibtisch.
»Wissen Sie , Otto , wir
Deutschen haben den Bo den unseres Vaterlandes seit Napoleon nicht mehr
verteidigen müssen. Es dürfte eine interessante Erfahrung
werden.« »Für die nächsten ein bis zwei Jahre ist
Brasilien wahrschein lich der beste Zufluchtsort« , entgegnete Prager. »Ein sehr un günstiger Zeitpunkt für die Heimkehr.«
»Oder der einzig richtige« , widersprach
Berger. »Je nachdem, wie man es ansieht. Haben Sie die Papiere
mitgebracht?« Prager legte die Aktentasche auf den Tisch.
»Alles da, was erforderlich ist. Außerdem habe ich noch
einmal Ermittlungen über die Schonerbark angestellt , die Sie erwähnten , als Sie mir das erstemal von Ihrem verrückten Plan erzählten. Die Gudrid Andersen, m eine ich. Sie liegt immer noch im Hafen von Göte borg und ist seit dem ersten Kriegsjahr nicht mehr ausgelau fen.«
»Fabelhaft« , stellte
Berger befriedigt fest. »Dann haben wir also freie Fahrt.«
»Sind Ihre Vorbereitungen abgeschlossen?«
Berger öffnete einen anderen Schrank , nahm eine Schwimm weste heraus und legte sie ebenfalls auf den Schreibtisch. Auf ihrem Rücken stand Gudrid Andersen - Göteborg.
»Und dann natürlich noch das
hier.« Er legte eine schwedische Nationalflagge dazu. »Ein
überaus wichtiges Requisit , wie Sie mir sicherlich bestätigen werden.« Er lächelte. »Alles bereit , glauben Sie mir. Den offiziellen Namenstausch werden wir vornehmen , sobald wir die Routen der Küstenschiffahrt hinter uns haben.« »Und das Logbuch?«
»Ich habe schon ein gefälschtes auf den Namen Gudrid Ander sen angefertigt - für den Fall , daß wir unseren Freunden von der anderen Seite begegnen sollten. Das echte Logbuch der Deutschland werde
ich heimlich weiterführen. Anders wäre es nicht
korrekt.« Er packte Schwimmweste und die schwedische
Nationalflagge in den Schrank. »Und Ihnen , m ein alter Freund - was kann ich Ihnen in diesem Augenblick sagen ? Ohne Ihre intensive Mitarbeit in den letzten Monaten , ohne die Informa tionen , die Sie für uns gesammelt haben , ohne die gefälschten Papiere hätten wir nicht mal im Traum an ein derartiges Unter nehmen denken können.«
»Da ist aber noch etwas , worüber ich mit Ihnen sprechen möchte, Erich«, sagte Prager vorsichtig. »Und das wäre?«
Prager zögerte. »Sieben Passagiere.«
Berger stieß ein hartes Lachen aus. »Das soll wohl ein Witz sein!«
»Nein , ich meine es durchaus ernst. Sie haben doch schon öfter Passagiere an Bord gehabt , nicht wahr , Erich?«
»Das wissen Sie verdammt genau.« Bergers Ton verriet einen Anflug von Ärger.
»Ich habe Platz für acht Passagiere . Je zwei Kabinen auf jeder Seite des Salons mit je zwei Kojen . Aber ich möchte Sie darauf hinweisen , daß normalerweise eine Besatzung von zehn Mann , mich selbst mitgerechnet , für dieses Schiff absolut ausreicht. Wir haben aber schon , wie Sie wissen , zweiundzwanzig Mann an Bord. Weitere sieben Passagiere , das würde bedeuten , daß die überzähligen Besatzungsmitglieder anderswo untergebracht werden müßten. Nein , nein , unmöglich!«
»Aber Sie fahren Ballast« , wandte
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