Feindfahrt
überrascht an.
»Nicht gerade groß , blaß, mit weißer Mütze und blauem Re
genmantel?« fragte er vorsichtig.
»Ganz recht, Sir. Kaffee habe ich leider keinen, aber Tee kann ich den Herren schon noch aufgießen. Ich werde ihn sofort ser vieren.« Er verschwand in seiner Küche. Jago zog die Automa tic aus der Tasche und wandte sich an Fisher. »Na?« sagte er. »Nicht zu fassen.« Fisher wirkte wie benommen. »Es ist ein fach unlogisch.«
»Geben Sie mir eine Minute, Sir«, meldete sich Carver eifrig. »Diesen Saukerl hol ich Ihnen da raus.«
»Den Teufel werden Sie tun, Carver. Wir müssen an Dr. Mun ro denken , und deshalb werden wir schön vorsichtig vorgehen, bis wir genau wissen, wie die Aktien stehen. Kapiert?« Lautlos schlich er den Gang entlang bis zu Janets Schlafabteil. Sehr behutsam zog er am Türgriff - ohne Erfolg. Dann holte er tief Luft und klopfte. »Janet, bist du da?«
Sie wollte zur Tür, doch Gericke hielt sie zurück. Die Hand schellen hingen jetzt für jeden sichtbar an seinem Arm. »Nein. Noch nicht.« Jago klopfte abermals, diesmal etwas kräftiger. »He, Janet! Los, mach auf!«
Gericke hockte auf der Bettkante. »Woher wußten Sie es?« »Als ich Sie im Londoner PoW-Cage sah, hatten Sie einen Ad ler und ein Hakenkreuz an dieser hübschen weißen Mütze, die Ihnen so gut steht.« Er lächelte gutmütig. »Wie habe ich Sie nur übersehen können!«
»Offenbar hatten Sie einen schlechten Tag. Auch der Charme hat seine Grenzen , genau wie alle anderen Dinge. Doch würde es Ihnen etwas ausmachen , wenn wir diese kleine Farce jetzt beenden?« Sie legte fragend die Hand auf den Türriegel. Gericke zog die Mauser heraus und hielt sie schußbereit in der Hand. »Hätten Sie Lust , mi r noch mal den Puls zu fühlen?« »Heute nicht. Für heute bin ich ausgebucht.«
»Na schön , die Erinnerung bleibt mir wenigstens.« Er schlug zackig die Hacken zusammen , verbeugte sich knapp und reich te ihr die Mauser mit dem Griff nach vorn. »Macht man das nicht so in Ihren hübschen Hollywoodfilmen?«
Ihr Lächeln erstarb. »Sie Tor« , flüsterte sie. »Und was haben Sie jetzt davon?«
Er zuckte die Achseln. »Spielregeln , Doktor. Immer in Bewe gung bleiben.«
Sie schob den Riegel zurück , öffnete die Tür und trat beiseite. Jago und die anderen stürmten herein , Carver packte Gericke grob bei der Schulter , drehte ihn um und riß ihm die Arme auf den Rücken. »Alles in Ordnung?« erkundigte sich Jago. Sie händigte ihm die Mauser aus. »Er hat sich verhalten wie ein perfekter Gentleman.«
»Und das bedauere ich zutiefst« , sagte Gericke über die Schul ter hinweg zu ihr. Sie lachte auf. »Schafft ihn um Gottes willen hier raus!«
Carver schob Gericke, dessen Hände nun auf dem Rücken ge fesselt waren, in den Gang. Jago reichte ihm die Mauser. »Se hen Sie zu, daß Sie sie nicht noch mal verlieren. Und ihn auch nicht.«
»Bestimmt nicht, Sir. Darauf können Sie sich verlassen«, ver sicherte Carver mit grimmiger Miene und stieß Gericke die Faust ins Kreuz, daß er stolpernd den Gang entlangflog.
In Fort William hatte der Zug zwanzig Minuten Aufenthalt; Fisher telefonierte im Büro des Stationsvorstehers. Endlich kam er wieder heraus, stieg in den Wagen des Zugführers und klopfte an die Tür zum Gepäckraum. Als Carver öffnete, fuhr der Zug an. »Wie lautet der Befehl, Sir?«
»Wir sollen mit ihm nach Mallaig fahren. Und von da aus mit dem Nachmittagszug nach Glasgow zurück. Was macht er?« »Schön verschnürt wie ein Weihnachtstruthahn.« Fisher trat an das Eisengitter. Gericke lag ausgestreckt auf den Postsäcken, die Hände auf dem Rücken gefesselt, die Füße mit Stricken zusammengebunden. Der Lieutenant setzte sich und steckte sich eine Zigarette an. Gott sei Dank, daß dieser Alptraum end lich vorüber war! Kein Kriegsgericht, keine Untersuchung. Na schön, eine Untersuchung vielleicht doch, aber daraus würde er möglicherweise nicht allzu schlecht hervorgehen. Schließlich war es vor allem Carvers Schuld, daß dieser ganze verdammte Zirkus passiert war.
An Bord der Deutschland steigerte sich die allgemeine Unzu friedenheit beinahe bis zur Meuterei, als Richter zum Mittages sen in die Back hinabstieg.
»Wenn ihr mich fragt - da ist was reingekrochen und krepiert«, hörte er den Vollmatrosen Roth sagen.
Die Freiwache stand um den schmalen Mitteltisch, auf dem sich der Gegenstand ihrer Empörung befand: zwei große Töp fe, die aus der Kombüse heruntergebracht worden
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