Feindfahrt
Berger. Weber gehorchte. Schwester Angela blieb an der Tür stehen. Sie betrachtete das Durcheinander, bückte sich, um an dem fauligen Schweinefleisch im Faß zuriechen, und wandte sich dann zu den anderen um. »Nehmen Sie die Schür ze ab«, befahl sie Weber. Weber warf Berger einen nervösen Blick zu, aber dann gehorchte er. Schwester Angela nahm die Schürze , hielt sie einen Moment in der ausgestreckten Hand und warf sie dann kurzentschlossen über Bord. »Ich möchte vorschlagen, daß Sie den Mann an seine normale Arbeit zu rückkehren lassen. Hier ist er offenbar fehl am Platz.« »Und wer kocht?« fragte Berger.
»Da müssen Sie sich ein bißchen im Glauben üben, Herr Kapi tän. Zunächst aber wünsche ich, daß jeder Zentimeter in die sem Dreckloch blitzblank gescheuert wird.« Sie wandte sich an ihre Nonnen. »Jeder Topf muß spiegeln. Erst dann, und nur dann werden wir in der Lage sein, aus den Lebensmitteln etwas zu machen. Einverstanden, Herr Kapitän?«
»Wir sind, wie Sie mir so oft gesagt haben, in Gottes Hand«, entgegnete Berger.
Gegen Abend jedoch, als er mit Prager aufs Achterdeck stieg, kam von der Kombüse ein für ihre Verhältnisse so köstlicher Duft herübergeweht, daß er zum erstenmal seit vielen Tagen Appetit verspürte.
»Was ist das?« fragte er Richter, der gerade Ruderwache hatte. »Ich glaube, das nennt man die weibliche Hand, Käpt'n.« »Und dafür wollen wir dem Herrgott danken«, fügte Prager fromm hinzu.
Janet stand am Fenster ihres Schlafwagenabteils und schaute deprimiert hinaus, doch selbst die atemberaubende Schönheit des Ben Nevis konnte ihre Stimmung nicht bessern. Sie setzte sich wieder an den Tisch und nahm ein Buch.
Eine Stunde verging, anderthalb; Jago schlief weiter, während
sie durch die wildromantische Bergwelt Schottlands rollten. Glenfinnan, Lochailort und dann, verhüllt von Nebel- und Re genschleiern, das Meer und der Sund von Arisaig.
Das Buch hatte sie längst wieder beiseite gelegt. Sie rauchte eine Zigarette, sah zu, wie die Regentropfen am Fenster herab rannen, und dachte an Gericke - der Gedanke an ihn ließ sich einfach nicht verdrängen. Und das war alles andere als sinn voll. Energisch griff sie nach ihrem Buch und zwang sich, wei ter darin zu lesen.
Gericke, der bäuchlings auf den Postsäcken lag, konnte Carver zwar nicht sehen, spürte aber, daß sich der Oberbootsmann näherte. Er ging mit einem Messer in der Hand neben dem Ge fangenen in die Hocke und riß Gerickes Kopf herum. »Äußerst unklug«, tadelte Gericke. »Sie würden nie eine ver nünftige Erklärung dafür liefern können.«
Carver zog das Ritterkreuz aus der Tasche. »Dafür haben Sie wohl was ganz besonders Mutiges getan, wie, 'n richtiger Held sind Sie, nicht wahr?« Die Wut stieg wieder in ihm auf. Er durchschnitt die Stricke, die Gerickes Knöchel fesselten, und packte ihn an einem Arm. »Los, kommen Sie - aufstehen!« Gericke stand schwankend da; fast schrie er auf, so stark waren die Schmerzen, als ihm das Blut in die verkrampften Beine schoß. Carver schob ihn durch das Gitter, dabei stellte er ihm ein Bein, daß er vornüber auf die Knie fiel und dann mit dem Kopf auf den Boden schlug. Zusätzlich versetzte er ihm einen Tritt in die Rippen. »Fühlen Sie sich jetzt besser, Sir?« Gericke richtete den Oberkörper auf. »Haben Sie so Ihre groß artigen Boxkämpfe gewonnen, Carver? Mit Gegnern, denen die Hände auf dem Rücken gefesselt waren?«
Carver zog den Handschellenschlüssel heraus und riß Gericke herum. »Ich werd' Ihnen zeigen, ob ich boxen kann oder nicht!« Sobald Gericke die Hände frei hatte, warf er den Re genmantel ab. Carver stürzte sich mit einem wilden Schwinger auf ihn, dem Gericke jedoch mühelos auswich. Sofort ging er in Abwehrstellung: halb geduckt, den rechten Arm mit der ge ballten Faust ausgestreckt, mit der Linken den Oberkörper dek kend. Er bewegte sich wie ein erfahrener Profi. Wieder griff der Oberbootsmann an, abermals mit einem Schwinger, dem Gericke wieder gewandt auswich, diesmal jedoch, indem er unerwartet herumwirbelte und eine Linke an Carvers Nieren landete. Carver schrie vor Schmerzen auf und drehte sich dann, bis er Gericke wieder gegenüberstand.
»Ja, Carver, ich muß zugeben, daß ich Ihnen gegenüber nicht ganz aufrichtig war«, sagte Gericke und pflanzte Carver eine weitere Linke unter die Rippen, gefolgt von einer kurzen Rech ten, die ihn oben an der Wange traf und ihm eine Platzwunde eintrug.
»Als junger Mann
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