Feindfahrt
waren. Der Geruch, der ihnen entstieg, sobald man den Deckel hob, war wirklich etwas absonderlich, das mußte selbst Richter zugeben. So schlimm, daß es einem auch den kräftigsten Appetit ver schlug.
»Was ist hier los?« fragte er, während er sich zum Tisch durchdrängte. »Mal wieder das Essen«, antwortete Endrass. »Das würden doch nicht mal die Schweine fressen. Diesmal ist Weber wirklich zu weit gegangen.«
»Na ja, ein Koch ist er sicher nicht«, bestätigte Richter , der voll Ekel in einen der beiden Töpfe blickte.
»Im Gegensatz zu Walz , egal , was der sonst gewesen sein mag.«
»Ich bin einige Jahre unter Segel gefahren, Herr Richter«, sagte Riedel.
»Das wissen Sie. Ich hab' mit dem alten Kommodore Johnsen aus Hamburg am letzten Getreide-Wettrennen kurz vor dem Krieg teilgenommen. Einhundertundsieben Tage von Australi en nach Queenstown. Ich kenne also meine Rechte und weiß, daß jedem Mann pro Tag eineinviertel Pfund Pökelfleisch und ein Dreiviertelpfund Schweinefleisch zustehen.« Er tunkte die Kelle in den Topf.
»Und was kriegen wir hier? Wenn wir Glück haben, jeder ei nen Löffel voll.«
»Unsere Vorräte werden knapp«, erläuterte Richter. »Das Schweinefleisch ist halb verdorben, wenn es aus den Fässern kommt. Weber könnt ihr deswegen keine Vorwürfe machen.« »Das ist immer noch keine Entschuldigung dafür, daß er uns das bißchen, was es gibt, auftischt, als hätte er's auf der Straße zusammengekratzt«, erwiderte Endrass. »Ich finde, wir sollten zum Käpt'n gehn.«
»Na schön.« Richter nickte. »Sie gehen und Riedel. Und am besten nehmen Sie einen von den Töpfen mit, damit er sieht, um was es uns hier geht.«
Aber das war gar nicht notwendig, denn als der Bootsmann an die Tür der Kapitänskajüte klopfte, saßen Berger und Otto Pra ger am gedeckten Tisch, jeder mit einem Teller von dem Ein topf vor sich.
»Was ist?« erkundigte sich Berger unwirsch.
»Eine Abordnung der Mannschaft, Käpt'n. Maat Endrass und
Vollmatrose Riedel bitten, für ihre Kameraden sprechen zu
dürfen.« Berger musterte Endrass kalt.
»Nun?«
»Das Essen, Herr Kapitän«, stotterte Endrass verlegen. »Es ist so schlecht, daß die Leute es nicht mehr vertragen, und der Gestank...« Er hob den Deckel von dem Topf, den Riedel trug. Berger rümpfte angewidert die Nase.
»Danke, der Beweis genügt mir. Abtreten.« Riedel ging. »Na schön, es ist wirklich nicht besonders gut, aber wir sitzen alle im selben Boot.« Er deutete auf seinen eigenen Teller; dann wandte er sich an Helmut Richter. »Wer hat jetzt eigentlich die Kombüse? Weber, nicht wahr, Bootsmann?«
»Ganz recht, Käpt'n, und den mußten wir dazu regelrecht
zwingen. Da keiner diese Arbeit freiwillig übernehmen wollte, haben die Männer Lose gezogen.«
Berger nickte. »Ich weiß wirklich nicht, was ich dagegen un ternehmen könnte. Wie Sie wissen, ist das kein ganz neues Problem auf Segelschiffen. Sobald die Lebensmittel anfangen, schlecht zu werden, vor allem das Fleisch, kann nur noch ein erfahrener Koch etwas draus machen, und den haben wir nun mal nicht. Ich bin überzeugt, daß Weber sich die größte Mühe gibt.«
»Das möchte ich allerdings bezweifeln.« An der Tür stand Schwester Angela, in der einen Hand einen Topf, hinter sich die anderen Nonnen. Sie hob den Deckel.
»Als was würden Sie das hier bezeichnen?« fragte sie Erich Berger.
Angeekelt musterte er den fettigen Schleim, der oben drauf schwamm. »Erbsensuppe, denke ich, Schwester Angela.« »Und so schmutzig, daß sie beinahe schwarz aussieht«, ent gegnete sie.
»Ein äußerst seltsames Phänomen, aber einfach zu erklären durch die Tatsache, daß der Koch vergessen hat, die Erbsen zu waschen.«
»Gut, gut.« Berger hob kapitulierend die Hand. »Sie brauchen nicht fortzufahren. Also, was gedenken Sie dagegen zu tun?« Sie reichte Schwester Käthe den Topf. »Wir könnten zunächst mal die Kombüse besichtigen. Selbstverständlich mit Ihrer Er laubnis.« Berger gab ihr ausnahmsweise nach und griff nach seiner Mütze. »Ihnen zuliebe, Schwester. Würden Sie mir bitte folgen?« So mußte der unglückselige Weber, der deprimiert , von schmierigen Töpfen und schmutzigen Tellern umgeben , in seiner winzigen Kombüse saß, durch die offene Tür zusehen, wie die Leute, angeführt vom Kapitän, entschlossen seinem Reich zustrebten.
Eilfertig sprang er auf und wischte sich die Hände hastig an
seiner schmutzstarrenden Schürze ab. »Raus, Weber!« befahl Kapitän
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