Feindfahrt
habe ich meine Lehrjahre auf einem Clipper absolviert, der die Salpeterroute nach Chile fuhr. Eine äußerst harte Schule. Strengste Disziplin, durchgesetzt mit Hilfe von Belegnägeln, Schlagringen und Stiefeln. So wurde ich ziemlich schnell erwachsen.«
Er schien sich wie in Zeitlupe zu bewegen, ein Hieb nach dem anderen fand sein Ziel, während Carvers Schläge immer häufi ger ins Leere trafen.
Der Oberbootsmann war schlimm zugerichtet, sein Gesicht war blutüberströmt; er konnte nicht sprechen und rang vergeblich nach Luft, während ihn der Deutsche unnachsichtig quer durch den Gepäckraum trieb.
»Mein lieber Freund, Sie sind eine Beleidigung für die Uni form, die Sie tragen, und für das Land, das Sie hervorgebracht hat. Man hätte Sie schon längst einmal zurechtstutzen müssen.« Abermals setzte Gericke dem Oberbootsmann drei furchtbare Treffer ins Gesicht, daß er rücklings gegen die Wagenwand flog.
Hilflos rutschte er an der Wand zu Boden; sein Kopf hing
schlaff nach einer Seite. Gericke blickte auf ihn herunter; dann bückte er sich, durchsuchte seine Taschen und holte sich seine Orden zurück. Er steckte auch die Mauser ein, nahm seine Mütze, zog den Regenmantel an und öffnete die breite Schiebe tür.
Janet, die im Schlafwagengang am Fenster stand, sah flüchtig, wie eine Gestalt im hohen Heidekraut landete und anschließend den Abhang hinabrollte. Dann war draußen wieder nur Nebel und Regen zu sehen.
9
Schonerbark DEUTSCHLAND, 22. September 1944. 50°59' nördl. Breite, 15° 35' westl. Länge. Um sechs Glasen der Mittelwache brach der Eisenkragen des Großbaums. Dann platzte das Großsegel von oben bis unten und wir mußten beidrehen, um die Reparaturen auszuführen. Wir ließen den Treib anker fallen , bi s Sturm mittags alles klar zur Weiterfahrt meldete. Das Wet ter verschlechterte sich kurz darauf zu starkem Regen und dichtem Nebel. Wind NW 5-6.
Die Mary Masters, ein Neuntausend-Tonnen-Liberty-Schiff aus Halifax, Nova Scotia, mit einer Ladung Roheisen für die Stahlwerke von Südwales , hatte es in den letzten vierundzwan zig Stunden nicht leicht gehabt. Der größte Teil der Besatzung, darunter auch der Kapitän , holte sich jetzt unter Deck eine Mütze voll Schlaf.
Die Sicht war wegen des starken Regens und des dichten Ne bels sehr schlecht , der Dritte Offizier , allein auf der Brücke , unendlich müde. Als er vielleicht zum zwanzigsten Mal inner halb der letzten halben Stunde das Glas an die Augen hob und plötzlich die Deutschland vor die Linse bekam , wollte er sei nen Augen nicht trauen.
Durchs Sprachrohr rief er den Kapitän. »Braithwaite hier , Sir.
Tut mir leid . Sie zu stören , aber ich habe ein Segelschiff ge
sichtet.«
»Wie bitte?«
»Ein Segelschiff, Sir. Eine Viertelmeile backbords achteraus.« »Ich komme sofort.«
Braithwaite wandte sich wieder nach achtern, um die Deutsch land weiter zu beobachten. Kurz darauf kam Captain Hender son auf die Brücke: ein kleiner, alter, weißhaariger Mann, der neunzehnhundertvierzig in den Ruhestand hätte gehen müssen und nur wegen des Krieges geblieben war.
Er griff nach dem Glas und stellte es ein. »Wunderschön«, murmelte er vor sich hin. »Ändern Sie den Kurs , Mr. Braithwaite. Die wollen wir uns mal näher ansehn.«
An Deck der Deutschland waren ein halbes Dutzend Besat zungsmitglieder; Berger und Sturm standen auf dem Hütten deck und beobachteten, wie sich das andere Schiff langsam näherte.
Sturm setzte das Fernglas ab. »Ein Tommy, Käpt'n. Die Mary M as ter s.« Richter kam mit der Signallampe die Leiter herauf. »Was sollen wir machen, Käpt'n?« fragte er.
»Das ist ein Frachter, der ist nicht von der Royal Navy.« Ber ger sah zur schwedischen Nationalflagge hinauf. »Wir sind und bleiben die Gudrid Andersen. Soll uns erst jemand das Gegen teil beweisen.« Auf der Mary Masters wurde eine Signalflagge gehißt . Sturm schaute angestrengt durch sein Glas.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?« wurde von dem Frachter gefragt.
Stirnrunzelnd packte Berger die Decksreling . Das Schiff war jetzt sehr dicht herangekommen; sein Kurs würde es achtern an der Deutschland vorbeiführen, nahe genug, um die Männer auf der Brücke deutlich zu erkennen.
»Ich denke, wir werden es diesmal mit einem echten Bluff ver suchen. Sie sprechen am besten Englisch, Sturm, also nehmen Sie die Signallampe. Halten Sie sich bereit, auf mein Kom mando zu signalisieren. Aber kurz fassen, wenn ich bitten darf.« »Aye, aye,
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