Feindgebiet
mehr leisten.
Kapitel 28
Nach dem schrecklichen Schlag von Durer taumelten die Tahn zurück wie ein Mann, den eine bleischwere Keule in den Magen getroffen hat. Zusammengekrümmt, den Mund nach Luft japsend aufgerissen, mit leeren Lungen und wild in den Schläfen hämmerndem Blut, das an den Ohren herauszuschießen drohte.
Sie waren wie gefangen in diesem lähmenden, erstarrten Moment der Geschichte, den selbst weniger eifrige Schüler noch Äonen später mit schlafwandlerischer Sicherheit benennen konnten: »Das war der Wendepunkt. Nach dieser Schlacht galten andere Maßstäbe, mussten neue Strategien ausgearbeitet, Szenarien überdacht werden.«
Wie ein Philosoph des Altertums es bereits ausdrückte: »Es ist erst dann vorbei, wenn es vorbei ist.« Oder, wie es der Ewige Imperator in Anlehnung an einen seiner favorisierten politischen Denker ausgedrückt hätte: »Gewinnen ist nicht alles. Aber Verlieren ist schon gar nichts.«
Durer/Al-Sufi war verloren. Diese vernichtende Tatsache stand schon kurz nach der Schlacht felsenfest. Die Schlacht war verloren, der Krieg jedoch noch lange nicht. Auch diese Tatsache erfaßten die Tahn selbstverständlich sofort, wenn auch zunächst nur instinktiv. Der Trick bestand darin, dem Hirn klarzumachen, was der Bauch dachte, ohne den Bauch auf- und sämtliche Eingeweide herauszureißen. Die Geschichte war ein düsterer Ort vernichteter großer Königreiche, die das Orakel ermordet hatten, um an die Botschaft heranzukommen. Diesen Fehler konnten und würden die Tahn nicht begehen.
Sie wandten sich nach innen, bekämpften jeden Instinkt, der ein Versagen aufdecken, ein eigenes Verschulden ausfindig machen wollte. Sie wandten sich nach innen, um neue Kraft zu finden, wurden dort jedoch lediglich mit den eisigen Angelpunkten ihrer Kultur konfrontiert: einem Nordpol, der nicht zuließ, dass man sich über eine Niederlage überhaupt Gedanken machte, und einem Südpol, an dem jede Facette des Tahn-Lebens vom offiziellen Willen kontrolliert und geregelt wurde – das alles drehte sich um eine Achse des Hasses auf alles, was nicht Tahn war. Und sie hatten weder einen Shackleton noch einen Perry, der ihnen den Weg weisen konnte. Nur Lord Fehrle – der Mann, der während der zweitgrößten Niederlage ihrer gesamten Geschichte den Oberbefehl gehabt hatte.
Fehrle war kein Feigling. Nach der Niederlage beging er keineswegs rituellen Selbstmord. Statt dessen kehrte er nach Heath zurück, wo er erwartete, aller Ehren entkleidet und hingerichtet zu werden, wonach sein Name aus den Geschichtsbüchern der Tahn ein für allemal gelöscht werden würde. Wenn sein Volk seinen Zorn an seinem zuckenden Leichnam auslassen musste, dann sollte es eben so sein.
Statt dessen sah man ihn kurz darauf, während in einer Nachrichtenübertragung anlässlich der Berufung eines Generalgouverneurs für ein soeben von den Tahn erobertes Gebiet auf seinem gewohnten Posten, umgeben von den anderen Mitgliedern des Hohen Rats der Tahn. Das Ereignis wurde von jedem versierten Beobachter, der etwas über Durer wusste, mit großem Interesse verfolgt. Der Ewige Imperator, der versierteste von allen, grunzte vor sich hin, als er die Aufzeichnung noch einmal ansah. Mit Fehrles Überleben hatte er nun wirklich nicht gerechnet.
Als er erfahren hatte, dass der Tahn-Lord die Expedition persönlich angeführt hatte, hielt er die politische Vernichtung dieses Mannes für eine willkommene Dreingabe zu all dem geborstenen Metall und den hingemetzelten Soldaten. Und doch lag darin ein Vorteil, den es zu nutzen galt; der Ewige Imperator klemmte sich sofort dahinter.
Als der Imperator mit seiner präparierten Keule zugeschlagen und empfindlich getroffen hatte, hatten seine Feinde auf ihrem hastigen Rückzug nur an eines gedacht: niemand konnte etwas von Durer wissen, und das sollte auch so bleiben. Selbst der alte Zyniker Pastour sah ein, dass jetzt nicht der geeignete Moment für Schuldzuweisungen und politischen Nahkampf war. Als er die Nachricht erfuhr, musste er sich übergeben; dann wischte er sich die Lippen ab und eilte zur Notstandssitzung des Hohen Rates, fest entschlossen, seine Kollegen davon abzuhalten, Fehrle zu beseitigen und im Anschluss daran beim Kampf um seine Nachfolge bürokratischen Selbstmord zu verüben.
Selbst in normalen Zeiten gab es zu viele Fraktionen mit zu vielen egoistischen Interessen, als dass man einen eindeutigen Favoriten festmachen konnte. Im Lauf der Zeit würde sich ein Konsens
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