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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Art zu fragen äußerst beleidigend, und Sie werden freundlicherweise davon absehen.«
    »Ich hege aber Zweifel daran, daß sie überhaupt weiß, was sie gesagt hat«, entgegnete Yapp.
    Der Richter wandte sich an Rosie. »Wissen Sie, was Sie gesagt haben?« fragte er. Rosie nickte. »Und haben Sie mit dem Angeklagten Ehebruch begangen?«
    Rosie nickte nochmals. Der nette Polizist hatte gesagt, daß es so gewesen war, und die Polizei erzählte doch keine Lügen. Ihre Mum hatte immer gesagt, sie sollte zu einem Polizisten gehen, wenn sie nicht mehr weiter wußte. Und jetzt wußte sie nicht mehr weiter. Tränen liefen ihr über die Wangen. »In diesem Fall«, wandte sich der Richter an die Geschworenen, »können Sie davon ausgehen, daß der Akt des Ehebruchs zwischen dem Angeklagten und dieser Zeugin vollzogen wurde.«
    »Wurde er nicht«, beharrte Yapp. »Sie bezichtigen Mrs. Coppett fälschlicherweise einer Handlung, die zwar nicht illegal ist, aber trotzdem ...«
    »Ich bezichtige Mrs. Coppett überhaupt nicht«, schnaubte der Richter. »Sie hat offenbar gestanden – mit einer Offenheit, wie ich hinzufügen darf, die ihr sehr viel mehr Glaubwürdigkeit verleiht als Ihnen –, daß sie mit Ihnen Ehebruch begangen hat. Und nun haben Sie anscheinend die Absicht, die Moral der Zeugin zu untergraben und ihre Aussage zu erschüttern, indem Sie sich in häßliche und lüsterne sexuelle Details im Zusammenhang mit dem unmittelbaren Akt des Ehebruchs stürzen, den zu erörtern nicht Aufgabe des Gerichts ist.«
    »Ich bin berechtigt, die Behauptung der Anklage, daß Ehebruch stattgefunden hat, in Frage zu stellen«, sagte Yapp. Aber Lord Broadmoor wollte davon nichts wissen. »Sie stehen hier unter Mordanklage. Das hier ist kein Scheidungsgericht, und die Frage des Ehebruchs ist für die Anklage nicht von Bedeutung.«
    »Aber sie dient doch dazu, das Motiv zu liefern. Ich soll den Mann dieser Zeugin doch eben deshalb ermordet haben, weil ich ein Verhältnis mit ihr hatte. Die Frage des Ehebruchs ist daher für meine Verteidigung essentiell.«
    »Essentiell! Wahrhaftig!« röhrte Lord Broadmoor, der mit nichtjuristischen Fremdwörtern von jeher auf Kriegsfuß stand.
    »Ihre Verteidigung hat sich darauf zu beschränken, die Geschworenen davon zu überzeugen, daß die Anklage grundlos ist und die gegen Sie vorgebrachten Beweise nichtig sind und nicht ausreichen, um das Urteil ›schuldig‹ zu rechtfertigen. Und jetzt fahren Sie mit Ihrem Kreuzverhör fort, ohne weiter auf den Ehebruch einzugehen.«
    »Aber ich glaube einfach, daß Mrs. Coppett gar nicht begreift, was dieses Wort bedeutet«, sagte Yapp.
    Der Anwalt der Anklage erhob sich. »My Lord, Beweisstück H ist, wie ich meine, für diesen Punkt relevant.«
    »Beweisstück H?«
    Der Anwalt hob das verstümmelte Korsett hoch und wedelte damit vor den Geschworenen herum.
    »Lieber Himmel, legen Sie bloß das verdammte Ding hin«, krächzte Lord Broadmoor und blickte scheeläugig zu Yapp hinüber. »Wollen Sie leugnen, daß die Zeugin diese ... äh ... dieses Kleidungsstück in Ihrer Gegenwart getragen hat, wie sie offen zugegeben hat?«
    »Nein«, sagte Yapp, »aber ...«
    »Kein Aber, Sir. Wir können davon ausgehen, daß der Tatbestand des Ehebruchs gegeben ist. Sie können mit Ihrem Kreuzverhör der Zeugin fortfahren, aber ich muß Sie davor warnen, weitere Frage bezüglich des zwischen Ihnen stattgehabten körperlichen Aktes zu stellen.« Wütend blickte sich Yapp im Gerichtssaal um, ohne jedoch Trost bei den ihn anstarrenden Gesichtern zu finden. Rosie war völlig zusammengebrochen und schluchzte haltlos. Verzweifelt schüttelte Yapp den Kopf. »Keine Fragen mehr«, sagte er und setzte sich.
    Da regte sich Emmelia im Zuschauerraum. Die Veränderung, die vor Cleetes Laden begonnen hatte, wirkte weiter, und wenn sie sich dort so gesehen hatte, wie sie war – als reichebeschützte und im Grunde genommen selbstgefällige Frau –, so war das, was sie jetzt mit ansah, von Wahrheit und Gerechtigkeit so denkbar weit entfernt, daß sie sich gezwungen sah, etwas zu unternehmen. Getrieben von ihrer Petrefactschen Arroganz erhob sie sich von ihrem Sitz. »My Lord«, schrie sie, »ich habe dem Gericht eine Mitteilung zu machen. Die Frau im Zeugenstand ist meine Angestellte, und sie hat nie im Leben Ehebruch ...«
    Weiter kam sie nicht.
    »Ruhe im Gericht!« donnerte Lord Broadmoor und ließ damit seinen offenbar durch das Korsett eingeschnürten Gefühlen freien Lauf. »Entfernen

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