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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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bereute es im selben Augenblick. Wieder lächelte Yapp unheilverkündend. »Na ja, wenn du meinst, aber ich dachte immer, daß alle Zwerge klein sind.«
    Aber Yapp gab nicht nach. »Das Blut von kleinen Zwergenbabies.«
    Verärgert legte Mr. Watford die Gabel samt Wurst auf den Teller. »Hör zu, Kumpel, ich versuche hier, mein Abendessen runterzuwürgen, und dein Gelaber über kleine Scheißzwerge und ihr Blut trägt nicht gerade dazu bei ... o mein Gott.« Yapp war aufgestanden und hatte sich drohend vor ihm aufgepflanzt. Mr. Watford wich an die Wand zurück. »Schon gut, schon gut«, stieß er hervor. »Mir soll’s recht sein, wenn du das Blut von kleinen Zwergenbabies magst. Alles, was ich möchte, ist ...«
    »Direkt aus den winzigen Gurgeln«, fuhr Yapp fort, während er sich die knochigen Hände rieb und unmißverständlich auf Mr. Watfords Kehle stierte.
    »Hilfe«, kreischte dieser, schoß von seiner Pritsche hoch und hämmerte an die Tür. »Laßt mich hier raus! Dieser Kerl hat hier nichts zu suchen. Er gehört in die Klapsmühle.« Doch als sich endlich zwei Wärter die Mühe machten, seiner Beschwerde nachzugehen, saß Yapp friedlich auf seiner Pritsche und aß Würstchen mit Kartoffelbrei.
    »Also, was ist hier los?« fragten sie und schoben den schlotternden Häftling beiseite.
    »Er ist verrückt. Total ausgerastet. Ihr habt mir einen Scheißpsychopathen reingesteckt. Will seinen Fraß nicht essen und faselt dauernd was von wegen frischem Zwergenblut ...« Watford hielt inne und glotzte Yapp ungläubig an. »Zuvor hat er nicht gegessen.«
    »Also, jetzt ißt er, und ich kann nur sagen, ich kann es ihm nicht verübeln, wenn ihm in deiner Gesellschaft der Appetit vergeht«, meinte der Wärter.
    »Aber er hat dauernd von Zwergenblut gefaselt.«
    »Was erwartest du denn sonst von ihm? Soll er vielleicht die ganze Zeit von Arsen reden? Außerdem, wieso regst du dich eigentlich auf? Du bist doch kein Scheißzwerg.«
    »So, wie er mich anschaut, könnte ich ebensogut einer sein. Und ich habe das Recht, über Gift zu reden. Das ist meine Spezialität. Oder weshalb bin ich eurer Meinung nach hier?«
    »Einverstanden, und genauso hat er das Recht, über verdammte Zwerge zu reden«, sagte der Wärter. »Was glaubst du, weshalb er hier ist?«
    Auf Mr. Watfords Gesicht spiegelte sich blankes Entsetzen. »O Gott, sagen Sie bloß nicht ...«
    »Ganz recht, Wattie. Seine Spezialität ist das Abschlachten verdammt kleiner Zwerge. Der Direktor meinte, ihr zwei würdet euch gut vertragen. Von den anderen will ihn nämlich keiner.« Und bevor Mr. Watford sagen konnte, daß das auch für ihn galt, wurde die Tür mit der Verwarnung, daß er Bunker bekäme, wenn er nochmals solchen Lärm veranstaltete, zugeknallt. Mr. Watford verkroch sich in eine Ecke und kletterte erst in sein Bett, als die Lichter gelöscht worden waren. Inzwischen dachte Yapp über den nächsten Schritt in Sachen Selbsterhaltung nach. Er erfolgte anläßlich Mr. Watfords Versuch, sich in den Schlaf zu onanieren. Diesmal hielt Yapp einen salbungsvollen Ton für angebracht und stimmte einen heiseren, unheimlichen Singsang an: »Alle Zwerge klein und häßlich, alle Würmer fett und gräßlich, eklig sind wie Gift und Galle, Gott, der Herr, zerschmettert alle.« Mr. Watford hörte zu onanieren auf. »Ich bin kein Zwerg«, sagte er. »Ich wünschte, du würdest das endlich begreifen.«
    »Zwerge onanieren«, sagte Yapp.
    »Da bin ich sogar sicher«, meinte Mr. Watford, der dieser Behauptung schlecht wiedersprechen konnte, ihre Implikationen jedoch, soweit es ihn betraf, äußerst beunruhigend fand. »Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, daß ich kein onanierender Zwerg bin.«
    »Samen verspritzen hemmt das Wachstum«, sagte Yapp und gab damit eine ziemlich abwegige Bemerkung seiner religiös angehauchten Tante zu diesem Thema wieder. »Der Herrgott der Unbeflecktheit hat gesprochen.«
    Mr. Watford beschloß, diesen Tatbestand nicht zu bestreiten. Wenn dieser Irre, den man ihm da aufgehalst hatte, den Glauben, daß er der Herrgott sei, mit der Ablehnung von Selbstbefleckung und einer Vorliebe für Zwergenblut verbinden wollte, dann war das seine Sache. Er drehte sich auf die Seite, konnte aber nicht einschlafen.
    Doch noch waren die Schrecken der Nacht nicht vorüber. Nachdem Yapp die erstaunliche Wirkung vorgeblicher Verrücktheit auf einen echten Giftmörder entdeckt hatte, der für seine Begriffe wirklich verrückt sein mußte, war er wild

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