Feine Familie
Blumen, ihre Katzen und ihre Familie liebte.
Bei dem armen Yapp war es eher umgekehrt. Ihm war seit seiner Einlieferung in das Gefängnis von Drampoole äußerlich kaum mehr etwas geblieben. Er hatte seine Kleider, einen Großteil seiner Haare, seine gesamte persönliche Habe und die Illusion, daß Verbrecher schlicht und einfach Opfer des gesellschaftlichen Systems waren, eingebüßt. Geblieben war ihm einzig und allein die Erkenntnis, daß es sich bei Kriminellen meist um Angehörige der Arbeiterklasse handelte, und dazugekommen war, daß er am eigenen Leib erfuhr, was das Proletariat von Kindsmördern hielt. Yapps verzweifelte Versuche zu erklären, daß er niemanden umgebracht hatte und abgesehen davon Zwerge keine Kinder waren, konnten ihn nicht davor bewahren, sich von zwei echten Mördern, mit denen er wohl °der übel die Zelle teilen mußte, wüst beschimpfen lassen zu müssen.
»Wir wissen schon, was wir mit Saukerlen wie dir anstellen« erklärten sie ihm und machten sich an ihr widerliches und schmerzhaftes Werk. Dies geschah mit einer Raffinesse, die sie offenbar in der harten, von Yapp früher so geschätzten Schule des Lebens gelernt hatten. Am folgenden Morgen war es nicht nur mit seiner Wertschätzung aus und vorbei, sondern auch mit der Fähigkeit, seinem Wunsch nach einem Besuch beim Gefängnisarzt Stimme zu verleihen. Als er nach einer Woche noch immer kaum hörbar flüsterte, beschlossen die Aufseher, die die Meinung seiner Zellengenossen über Zwergenschänder eindeutig teilten, in ihrem eigenen Interesse, daß Yapp ärztliche Behandlung brauchte, wenn sie nicht bald eine Leiche in Gewahrsam haben wollten.
»Ein Scheißquietscher aus deinem Mund, und du hast Wachteleier anstelle deiner eigenen«, drohte ihm sein kräftigerer Zellengenosse, als Yapp hinaushinkte. »Erzähl dem Pillenpapi, daß du von der Pritsche gefallen bist.«
Heiser flüsternd befolgte Yapp diese Anweisung.
»Von der Pritsche?« sagte der Arzt und richtete mißtrauisch eine Taschenlampe auf Yapps ausgefransten Schließmuskel. »Sagten Sie ›Pritsche‹?«
»Ja«, flüsterte Yapp.
»Und worauf genau sind Sie gelandet?«
Yapp sagte, daß er da nicht sicher sei. »Aber ich«, sagte der Arzt, der einen Arschficker erkannte, wenn er einen vor sich hatte, und gegen diese Spezies ebenso massive Vorurteile hatte wie gegen Kindsmörder. »Gut, Sie können wieder aufstehen.«
Als Yapp es versuchte, entfuhr ihm ein mitleiderregendes Quietschen.
»Und was ist mit Ihrer Stimme los? Sie sind nicht zufällig auch noch ein Schwanzlutscher?«
Yapp sagte, er habe keine Ahnung, was ein Schwanzlutscher sei, worauf der Arzt ihm etwas Nachhilfe gab. »Das bin ich ganz bestimmt nicht«, flüsterte Yapp so empört, wie seine Stimmbänder es zuließen. »Ich weise diese Anschuldigung entschieden zurück.«
»Wenn das so ist, würde es Ihnen dann etwas ausmachen, mir zu verraten, warum Ihr Zäpfchen in einem derart schauerlichen Zustand ist?« fragte der Arzt, während er mit einem Spatel nervös dagegen stieß.
Yapp gab gurgelnde Geräusche von sich.
»Nennen Sie den Arzt gefälligst ›Sir‹«, sagte der Wärter und verlieh seiner Aufforderung dadurch Nachdruck, daß er Yapp in die Rippen stieß. »Sir«, gurgelte Yapp. Der Arzt kehrte an seinen Schreibtisch zurück und schrieb seinen Bericht. »Dreimal täglich ein lösliches Pessar für beide Extremitäten«, sagte er. »Und können Sie ihn nicht zu jemandem stecken, der weniger empfänglich für die sexuellen Reize dieses gräßlichen Kerls ist?«
»Da wäre nur noch Watford«, meinte der Wärter zweifelnd. »Na, ausgezeichnet«, sagte der Arzt. »Dann müssen wir nur die Magenpumpe bereithalten.«
»Jawohl, Sir.«
Yapp wurde zu seiner Zelle zurückverfrachtet, um seine Decken abzuholen. Die beiden Mörder blickten ihn erwartungsvoll an.
»Er kommt zu Watford rein«, sagte der Wärter. »Ihr zwei Scheißkerle habt euren Spaß gehabt.«
»Geschieht dem Schwein ganz recht«, meinte der kleinere von beiden.
Begleitet von einer schrecklichen Vorahnung, humpelte Yapp wieder auf den Gang hinaus. »Was ist denn mit Watford?« krächzte er.
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie noch nie was vom Giftmischer von Bournemouth gehört haben? Sie als Scheißprofessor? Naja, man lernt nie aus«, sagte der Wärter, während er eine Zellentür am Ende des Ganges aufschloß. »Hab einen Kumpel für dich, Watford.«
Der kleine, rundliche Mann, der auf seiner Pritsche saß, taxierte Yapp mit
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