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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Während Lord Petrefact in einem Zeug herumstocherte, das aussah wie gekochte Fischstäbchen, und Yapp die zweite Portion ehrlich genoß, wehrte Croxley sich heftig gegen eine dritte.
    »Inzwischen sollten Sie wissen, daß ich immer ein leichtes Abendessen zu mir nehme«, sagte er. »Mit vollem Magen kann ich nämlich nicht schlafen.«
    »Seien Sie froh, daß Sie überhaupt einen Magen haben, mit dem Sie schlafen können. Ich liege die ganze Nacht wach und versuche mich daran zu erinnern, wann ich zum letztenmal richtig gut gegessen habe.«
    »Das muß damals gewesen sein, als Sie dieser Auster begegneten«, erwiderte Croxley – eine Bemerkung, die etwas ganz Bestimmtes bedeuten mußte, da sie bei Lord Petrefact ein derart reptilhaftes Lächeln hervorrief, daß sogar Yapp es als nicht ganz spontan erkannte. Einen Moment lang sah es aus, als würde der alte Mann gleich explodieren, doch dann erlangte er seine Fassung wieder.
    »Und wie schmeckt Ihnen der Wein?« wandte er sich an Yapp, der erst jetzt überhaupt darauf achtete. »Ich bin kein Fachmann, aber er paßt sehr gut zum Kaviar.«
    »Nein wirklich, tut er das? Nicht zu süß?«
    »Wenn überhaupt, dann eher etwas trocken«, meinte Yapp. Mißtrauisch ließ Lord Petrefact den Blick von ihm zur Karaffe und schließlich zu Croxley wandern. »Chablis«, sagte Croxley geheimnisvoll. Wieder schoß ein vielsagender Giftblick zwischen beiden hin und her. Als dann das nächste Gericht aufgetragen wurde, schien sich Lord Petrefacts zusammengesunkene Gestalt aufzublähen und zu jener ungeheuerlichen Größe aufzurichten, die sich mit seinem Namen verband.
    »Und was, sagt an, ist das?« wollte er wissen. Yapp entging weder das archaische »sagt an« noch die Tatsache, daß Croxley anscheinend verstanden hatte. Erst dann erblickte er das außergewöhnliche Ding, das der Oberkellner mit Mühe auf einem Silbertablett balancierte. Selbst in Waiden Yapps mit den exzentrischen Feinheiten der haute cuisine nicht vertrauten Augen war irgend etwas an diesem gebratenen Vieh faul. Einen Augenblick lang kam es ihm vor, als bilde er sich das Ganze nur ein.
    Nicht so Lord Petrefact. Sein Gesicht war zu einem gräßlich krebsroten Ballon angeschwollen. »Spanferkel?« brüllte er den Kellner an. »Was soll das heißen, ›Spanferkel‹? Dieses Vieh hat nicht mehr Ähnlichkeit mit einem Spanferkel als ich.«
    »Da gebe ich Ihnen ganz recht, Sir«, entgegnete der Kellner mit einem Mut, der Yapp Bewunderung entlockte. »Ich fürchte fast, der Metzger hat das in die falsche Kehle gekriegt.«
    »Kehle? Der würde sich hüten, so was in die Kehle zu kriegen. Wahrscheinlich stammt das Ding aus derselben obskuren Quelle wie dieser verdammte Schildkrötenpanzer.«
    »Ich meinte, er hat wohl den Auftrag falsch verstanden, Sir. Der Küchenchef hat am Telefon mit Sicherheit ein Spanferkel bestellt, aber vielleicht dachte der Metzger ...« Der Kellner hielt inne und blickte hilfesuchend zu Croxley. »Dachte?« röhrte Lord Petrefact, bevor sein Sekretär auch nur den Mund aufmachen konnte. »Der sollte sich lieber um sein verdammtes, blutiges Geschäft kümmern und das Denken anderen überlassen. Und Sie wagen es, mir so eine kastrierte Sau auch noch aufzutischen. Schauen Sie sich bloß diese verhunzten Füße an. Das Vieh muß ja auf Schritt und Tritt über seinen Rüssel gestolpert sein. Und wo ist eigentlich der verdammte Bauch?«
    »Im Kühlschrank, Sir«, murmelte der Kellner. Lord Petrefact glotzte ihn an.
    »Soll das vielleicht ein Scherz sein?« kreischte er. »Sie fahren da einen verhunzten Zwerg von Schwein auf und ...«
    »Perg«, mischte sich Yapp ein, der unklugerweise glaubte, dem Kellner zu Hilfe eilen zu müssen. Lord Petrefact wandte ihm sein Gesicht in Totale zu.
    »Perg? Was soll denn das heißen? Halten Sie sich gefälligst da raus«, schnauzte er ihn an.
    »Ich bezog mich auf Ihre Verwendung des Wortes ›Zwerg‹«, sagte Yapp unerbittlich. »Das ist ein Begriff, den zu hören ich in zivilisierter Gesellschaft nicht erwartet hätte.«
    »Nein? Ob wir wohl die Ehre haben zu erfahren, was Sie in zivilisierter Gesellschaft zu hören erwartet hätten? Und schaffen Sie mir dieses verkrüppelte Schwein aus den Augen.«
    »Person restringierter Größe«, sagte Yapp. Lord Petrefact stierte ihn blöde an. »Person restringierter Größe? Man serviert mir ein Schwein, das aussieht wie eine zusammengequetschte Ziehharmonika, und Sie fangen von zivilisierter Gesellschaft und Personen

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