Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
restringierter Größe zu schwafeln an. Falls irgend jemandes Größe je restringiert wurde, dann die dieser armen Sau ...« Er gab auf und sackte in seinem Rollstuhl zusammen.
    »Der Begriff ›Zwerg‹ hat einen pejorativen Beigeschmack«, fuhr Yapp unbeirrt fort, »wohingegen Person restringierter Größe oder kurz Perg ...«
    »Hören Sie«, unterbrach ihn Lord Petrefact, »Sie sind zwar Gast in diesem Haus, und vielleicht ist es unhöflich von mir, aber wenn noch mal jemand etwas sagt, was auch nur im entferntesten mit Schwein zu tun hat, dann ... Entschuldigen Sie mich.« Und mit einer energischen Drehung wirbelte er seinen Rollstuhl herum und schoß aus dem Speisezimmer. Yapp stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
    »Machen Sie sich deshalb keine Sorgen«, sagte Croxley, der sich für Yapp zu erwärmen begann, seit dieser Lord Petrefacts Zorn von ihm abgelenkt hatte. »Bis wir mit dem Essen fertig sind, hat er sich wieder völlig beruhigt.«
    »Ich mache mir keine Sorgen. Ich finde es nur interessant, den Zusammenprall von Widersprüchen zu beobachten, der sich im gesellschaftlichen Verhalten der sogenannten Oberschicht ausdrückt, wenn sie sich mit den objektiven Erfahrungsbedingungen konfrontiert sieht.«
    »Ach wirklich? Wobei das verkürzte Schwein die objektive Bedingung darstellt, wie ich annehme.«
    Der Rest der Mahlzeit verlief schweigend, unterbrochen nur durch das gelegentliche Anschwellen von Stimmen in der Küche, wo Lord Petrefact nachforschte, wer im einzelnen für die Entstellung des Schweins und seinen Verstoß gegen die guten Manieren verantwortlich war.
    »Ich denke, ich werde mich jetzt zurückziehen, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte Croxley, als sie sich endlich von der Tafel erhoben. »Sollten Sie in der Nacht etwas brauchen, dann läuten Sie einfach.«
    Er schlüpfte auf den Gang hinaus und überließ Yapp sich selbst. Widerstrebend und mit dem festen Vorsatz, seinem Gastgeber bei der nächsten groben Bemerkung seine unverblümte Meinung ins Gesicht zu schleudern, kehrte Yapp in den Salon zurück. Doch nachdem Lord Petrefact die unnatürliche Herkunft jener ihm aufgetischten Spezies erkundet hatte, war ihm die Lust vergangen, mit Waiden Yapp zu streiten. »Sie müssen meinen Ausbruch entschuldigen, lieber Freund«, sagte er betont herzlich. »Daran ist mein verfluchtes Verdauungssystem schuld, wissen Sie. Es ist schon in guten Zeiten schlecht genug, aber ... schenken Sie sich doch einen Cognac ein. Aber natürlich trinken Sie einen. Ich werde mir auch einen Schluck genehmigen.« Und ohne auf Yapps Protest einzugehen, er habe bereits mehr getrunken als sonst in einem ganzen Monat, glitt Lord Petrefact zum Eckschränkchen hinüber und goß ihm einen dreifachen Cognac ein. »Und jetzt setzen Sie sich hin und nehmen eine Zigarre«, sagte er dann. Diesmal weigerte sich Yapp ganz entschieden mit dem Argument, daß er Nichtraucher sei.
    »Sehr vernünftig. Sehr vernünftig. Trotzdem, es soll beruhigend auf die Nerven wirken.« Und mit einer dicken Zigarre und einem ansehnlichen Cognac in der Hand manövrierte er seinen Rollstuhl so, daß seine wohlwollende Gesichtshälfte Yapp unangenehm nahe kam. »Nun möchten Sie sicher wissen, warum ich Sie eingeladen habe«, flüsterte er beinahe verschwörerisch. »Sie deuteten an, ich solle die Geschichte Ihrer Familie schreiben.«
    »Ganz genau. So ist es«, entgegnete Lord Petrefact, wobei er sich alle Mühe gab, geistesabwesend zu erscheinen, »aber zweifellos kam Ihnen diese Idee mehr als seltsam vor.«
    »Allerdings. Ich frage mich, wie Sie ausgerechnet auf mich gekommen sind«, bestätigte Yapp.
    Lord Petrefact nickte. »Verständlich. Und in Anbetracht Ihrer, sagen wir, extremen politischen Ansichten mußte Ihnen diese Wahl leicht exzentrisch erscheinen.«
    »Ich fand sie ungewöhnlich, und ich glaube, ich sollte Ihnen jetzt und hier sagen, daß ...«
    Lord Petrefact hob eine Hand. »Nicht nötig, mein Lieber, absolut nicht nötig. Ich weiß, was Sie sagen wollen, und ich bin ganz und gar mit Ihren Bedingungen einverstanden. Das ist genau der Grund, warum ich mich für Sie entschieden habe. Wir Petrefacts mögen zwar unsere Fehler haben, die Sie zweifellos Punkt für Punkt auflisten werden, aber eines werden Sie bei uns nicht finden, nämlich daß wir uns etwas vormachen. Man könnte es auch anders ausdrücken. Man könnte sagen, daß wir nicht eitel sind, aber das ginge denn doch zu weit. Sie brauchen sich bloß dieses grauenhafte Haus

Weitere Kostenlose Bücher