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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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würde, die Ausbeutungdas Elend und die Habgier, die hinter diesem Elend steckte, das die Petrefacts ihrem Arbeiterheer über ein Jahrhundert lang zugefügt hatten, zu dokumentieren.
    Irgendeinen Haken mußte die Sache haben. Waiden Yapp leerte sein Glas, schenkte sich noch einen Cognac ein und machte es sich auf der Couch bequem, um den Vertrag in Ruhe durchzulesen.

Kapitel 5
    Im Zimmer nebenan saß Lord Petrefact eine Zeitlang im Dunkeln, sog wütend an seiner Zigarre und verfluchte sich selbst wegen seiner Dummheit. Und Croxley verfluchte er wegen der Episode mit dem verkürzten Eber und hätte dem Schwein, wäre er seiner habhaft geworden, gehörig die Meinung gesagt und zum Wochenbeginn gekündigt. Doch Croxley hatte es vorgezogen, sich oben schlafen zu legen. Mit Aufzügen war es in Fawcett House schlecht bestellt, und Lord Petrefact war zu vernünftig, um auch nur daran zu denken, seinen Rollstuhl jene fatale Marmortreppe hinaufzumanövrieren, die sich im Fall seines Großonkels Erskine schon einmal als tödlich erwiesen hatte. Lord Petrefact erinnerte sich dieser Tragödie mit lebhafter Genugtuung, obwohl es stets ein Geheimnis geblieben war, wie sein Großonkel erst auf den Balkon pinkeln und sich dann mit einem nur halb abgestreiften Kondom in seinem Leichenhemd hatte verheddern können. Wahrscheinlich hatte der alte Bock eine in einer Nische stehende Marmorstatue irrtümlich für ein Stubenmädchen gehalten.
    Aber das spielte jetzt keine Rolle. Das Entscheidende war im Augenblick, daß Croxley unverschämterweise oben war und er unten und daß er wohl oder übel bis zum Morgen warten mußte, ehe er seinen Zorn auf diesen Idioten abladen konnte. Nein, in Wirklichkeit ärgerte ihn am allermeisten, daß er diesem schwachsinnigen Yapp ein so ungeheuer großzügiges Angebot für Nachforschungen angeboten hat, die dieser fanatische Irre mit Begeisterung umsonst angestellt hätte. Dazu kam die nagende Ungewißheit, ob Yapp, ungeachtet seines Rufes, der richtige Mann für diesen Job war. Seine Höflichkeit beim Essen hatte nicht auf den skrupellosen Kämpfer schließen lassen, den Lord Petrefact auf seine Familie loslassen wollte. Mit der Überlegung, daß er den Kerl auf die richtige Fährte hetzen mußte, rollte Lord Petrefact in sein Schlafgemach und unter die Fittiche des Reanimationsteams, dessen weiblichen Mitgliedern die wenig beneidenswerte Aufgabe zukam, ihn abends ins Bett und am Morgen wieder heraus zu schaffen. Unterdessen hatte Yapp im Salon den Vertrag eingehend studiert und begab sich nun im Bewußtsein, daß er die Dienerschaft unnötig lange aufhielt, nach oben in sein Zimmer. Soweit er feststellen konnte – und das Kleingedruckte hatte er besonders aufmerksam gelesen –, stand absolut nichts in diesem Vertrag, was ihn daran hindern konnte, eine denkbar unflätige Familiengeschichte zu schreiben. Die Angelegenheit war höchst ungewöhnlich. Und für dieses Geschenk sozio-ökonomisch- fiskalischer Daten sollte er auch noch hunderttausend Pfund bekommen. Ein furchterregender Gedanke – fast so furchterregend wie die Vorstellung, daß er in dem Bett schlafen würde, in dem einst der Tyrann des Kongo gelegen hatte. So war es kaum verwunderlich, daß Waiden Yapp Schwierigkeiten mit dem Einschlafen hatte. Während Lord Petrefact unter ihm lag und sich überlegte, wer aus der Verwandtschaft Yapps Schnüffelei in seinem Privatleben wohl am wenigsten schätzen würde, wälzte sich der berühmte Proletarische Geschichtsschreiber unruhig von einer Seite auf die andere. Immer wieder wachte er auf, sah zum Fenster hinüber und wunderte sich über diesen Glücksfall, bevor er wieder eindöste. Wenn er dann endlich schlief, träumte er von Schweinen in Rollstühlen und einem gräßlich verkrüppelten Lord Petrefact, dessen glitschige Füße sich mehr oder minder dort befanden, wo seine Schulterblätter hätten sein sollen. Unglücklicherweise gab es keine Nachttischlampe am Bett, so daß er seine Phantasie auch nicht durch intensive Beschäftigung mit der Not und dem Elend der Scherenschleifer im Sheffield des Jahres 1863 einlullen konnte, der Doktorarbeit eines seiner Studenten, die er sich als Bettlektüre mitgenommen hatte. Das schrecklichste aber war seine Modemlosigkeit. Wenn er wenigstens Doris mit dem Vertrag hätte futtern können, dann hätte er den verborgenen Haken sicher entdeckt. Aber das würde warten müssen, bis er wieder in seine Wohnung in Kloone kam. Sogar Croxley, für gewöhnlich ein

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