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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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überstieg. Ihn auf die Petrefactsche Verwandtschaft loszulassen hieße, etwas von derart bösartiger Wucht auf sie herabzubeschwören, daß sie gar nicht merken würden, wie ihnen geschah.
    »Und wo ist er jetzt?« unterbrach er Croxleys ausführlichen Bericht.
    »Wir haben ihn im ehemaligen Kinderzimmer eingesperrt.« Lord Petrefact fuhr unter der Bettdecke hoch. »Im ehemaligen Kinderzimmer? Weshalb denn zum Teufel?«
    »Wir hielten es für das sicherste. Schließlich wird die Versicherung wissen wollen, wie dieses ...« Aber Lord Petrefact hatte nicht die Absicht, Yapps schreckliche Talente an eine Versicherung zu verschwenden. »Lassen Sie ihn sofort raus. Ich möchte den jungen Mann sprechen. Bringen Sie ihn auf der Stelle hierher.«
    »Aber Sie haben doch gehört, was Mrs. Billington-Wall ... ja, schon gut.« Croxley ging hinunter, folgte dem langen Gang bis zum Kinderzimmer und wollte soeben die Tür aufschließen, als Mrs. Billington-Wall dazwischenfunkte.
    »Was zum Kuckuck tun Sie hier?« wollte sie wissen. Croxley betrachtete sie mit boshaftem Mitleid. Es war deutlich zu sehen, was er tat. Selbst das beschränkteste Hirn mußte begreifen, daß er eine Tür aufschloß. Er war noch damit beschäftigt, diesen Gedanken in einfache Worte zu fassen, als ihn ihr Blick zurückschrecken ließ. »Lord Petrefact hat um die Anwesenheit von Professor Waiden Yapp ersucht«, sagte er in der Hoffnung, diese geschraubte Formulierung würde sie zum Schweigen bringen. Aber nichts dergleichen. »Dann geht es ihm sehr viel schlechter, als ich vermutet habe. Wahrscheinlich doch eine Gehirnerschütterung. Jedenfalls findet keinerlei Kommunikation mit dem Subjekt da drinnen statt, bevor nicht die Polizei ihn verhört hat.«
    »Polizei?« kreischte Croxley. »Das soll doch wohl nicht heißen ... Welche Polizei?«
    Mrs. Billington-Walls Augen blitzten wie ein irritierter Laserstrahl. »Die hiesige Polizei natürlich. Ich habe sie angerufen. Sie wird gleich dasein.« Und damit schob sie den verblüfften Croxley durch den Gang zurück in Richtung Halle. Erst vor Lord Petrefacts Gemächern setzte sich Croxley zur Wehr. »Hören Sie«, sagte er, »das Ganze ist ein Irrtum. Kann ja sein, daß Sie Professor Yapp nicht mögen – ich jedenfalls mag ihn nicht –, aber aus einem unerfindlichen Grund hat Lord Petrefact einen Narren an ihm gefressen; und wenn er erfährt, daß Sie die Polizei gerufen haben, wird er nicht gerade begeistert sein. Es wäre in Ihrem eigenen Interesse, hinunterzugehen und sie nochmals anzurufen ...«
    »Ich denke, ich kenne mein eigenes Interesse besser als Sie«, entgegnete Mrs. Billington-Wall, »und außerdem will ich nichts mit einer Schlägerei zu tun haben.«
    »Schlägerei? Wieso Schlägerei? Guter Gott, Sie haben der Polizei doch nicht etwa gesagt, es hätte hier eine Schlägerei gegeben?«
    »Wie würden Sie denn die schändlichen Vorkommnisse des heutigen Morgens bezeichnen?«
    Croxley suchte nach einem passenden Wort, doch fiel ihm außer Happening, das zu feinsinnig war, um bei diesem widerlichen Weib Anklang zu finden, nichts ein. »Vermutlich könnte man sie als ...«
    »Schlägerei bezeichnen«, unterbrach ihn Mrs. Billington- Wall. »Und anscheinend haben Sie vergessen, daß ich während Lord Petrefacts Abwesenheit persönlich die Verantwortung für das Haus trage, und in dieser Eigenschaft ...«
    »Aber er ist nicht abwesend. Er ist da drin«, wandte Croxley ein.
    Mrs. Billington-Wall streifte die Tür von Lord Petrefacts Schlafzimmer mit einem verächtlichen Blick. »Das muß man wohl annehmen«, gab sie zu. »Nichtsdestoweniger ist er nach meinem Dafürhalten in seinem jetzigen Zustand nicht in der Lage, die Situation richtig einzuschätzen. Juristisch gesehen ist er abwesend. Ich aber nicht, und meiner Ansicht nach ...«
    »Schon, aber was ist mit dem Skandal?« warf Croxley ein, den Kampf mit jenem tollkühnen Mut der Verzweiflung aufnehmend, der dem Wissen um Lord Petrefacts Reaktion entsprang, wenn der erfuhr, daß man die Polizei ausdrücklich gebeten hatte, ihre Nase in seine Privatangelegenheiten zu stecken. Mit Ausnahme der direkten Bitte an Ihre Majestät den Steuerprüfer, doch ein halbes Dutzend seiner versiertesten jungen Männer zu schicken, um die dritte Ausfertigung seiner Hauptbücher durchzusehen, fiel Croxley nichts ein, was bei dem alten Mann zuverlässiger zu einem tödlichen Schlaganfall führen würde als das Aufkreuzen der Polizei. »Welcher Skandal?« fragte Mrs.

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