Feine Familie
Billington-Wall. »Wenn es hier irgendwelche skandalösen Vorfälle gegeben hat, dann doch wohl die Verwüstung des ...«
Aber Croxley hatte bereits ihren Arm genommen und führte sie von der Tür weg.
»Schweine«, flüsterte er verschwörerisch. »Schweine?«
»Eben.«
»Was genau meinen Sie damit?«
»Was ich sagte«, unkte Croxley, der es darauf anlegte, die Frau in ein Labyrinth von Mißverständnissen zu verstricken, um sie dazu zu veranlassen, die Polizei wieder nach Hause zu schicken.
»Aber Sie sagten doch ›Schweine‹. Und jetzt sagen Sie ›eben‹. Ich habe wirklich keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Ein sanfter Wink genügt«, sagte Croxley mit einem, wie er hoffte, vielsagend lüsternen Seitenblick. Mrs. Billington-Wall übersah ihn geflissentlich. »Bei mir nicht. Wollen Sie damit sagen ...«
»Genau«, sagte Croxley. »Und jetzt kein Wort mehr.«
»Daß der alte Mann eine perverse Vorliebe für Schweine hat?« Croxley verdrehte die Augen zur Decke und betete. Falls das dem alten Herrn je zu Ohren kam ... Aber selbst das war noch besser als die Polizei. Er mußte weitermachen. »Spanferkel«, sagte er, wobei er sich alle Mühe gab, das Wort möglichst widerwärtig zu betonen. Es gelang ihm. Mrs. Billington-Wall erstarrte.
»Das glaube ich nicht«, meinte sie energisch. »Verlange ich auch gar nicht von Ihnen«, sagte Croxley wahrheitsgemäß. »Ich meine ja nur, wenn die Polizei mit ihren dreckigen, klobigen Stiefeln hier durchs Haus trampelt, wird der Name Billington-Wall am nächsten Sonntag auf der Titelseite der News of The World prangen. Da wird dann in fetten Lettern so was wie ›Brigadegeneralswitwe bei Schweineorgie‹ stehen. Und wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie doch den gemieteten Küchenchef. Lord Petrefact ließ gestern abend einem den Bauch aufschneiden, so daß es paßte.«
»Paßte?« fragte Mrs. Billington-Wall über die Maßen angewidert.
»Paßte«, wiederholte Croxley. »Es hatte nicht die richtige Größe.«
»Größe?«
»Also hören Sie, Sie wollen doch sicher nicht, daß ich mich über physiologische Details auslasse, oder? Ich hätte allerdings angenommen, daß eine Frau mit Ihrer Erfahrung in ...«
»Was geht Sie meine Erfahrung an«, fauchte Mrs. Billington- Wall. »Jedenfalls kann ich Ihnen versichern, daß sie sich nicht auf Sodomie erstreckt.«
»Wohl kaum. Trotzdem ...«
»Und wenn Sie glauben, daß ich etwas mit einer Verschwörung zu tun haben will, deren Ziel es ist zu verschleiern, daß man hier einem Schwein aus den angedeuteten Gründen den Bauch aufgeschlitzt hat ...«
»Nun warten Sie doch einen Augenblick ...«, begann Croxley, aber jetzt war Mrs. Billington-Wall nicht mehr zu bremsen. »Das werde ich nicht, da können Sie Gift drauf nehmen. Als Vorsitzende des hiesigen Tierschutzvereins bin ich zutiefst betroffen.«
»Daran zweifle ich nicht«, sagte Croxley, der bereits so weit in die suggestio porcine vorgeprescht war, daß er notfalls zu Grobheiten Zuflucht nehmen mußte. »Und wenn die Polypen Sie erst richtig in die Zange genommen haben, werden Sie noch tiefer betroffen sein. Aber versuchen Sie ruhig, denen das Schweinedrittel in der Kühltruhe zu erklären, dann werden Sie schon sehen, was Sie davon haben.«
Damit ließ er die verwirrte Dame stehen und kehrte zu Lord Petrefacts Zimmer zurück.
Mrs. Billington-Wall eilte nach unten, wo sie sich umgehend den gemieteten Küchenchef vorknöpfte, um herauszufinden, was genau am gestrigen Abend vorgefallen war. Als Hindernis erwiesen sich dabei nicht nur die italienische Herkunft des Mannes und die mit Croxleys gestriger Forderung, ein ausgewachsenes Schwein durch Entrumpfen in ein Ferkel zu verwandeln, verbundene Beleidigung seines Berufsstandes, sondern auch Mrs. Billington-Walls sonderbare Art der Befragung.
»Woher soll ich wissen, warum er so will? Ist nicht meine Sache. Wenn er sagt, Schwein schneiden, dann schneide ich Schwein. Mag er eben kleine Schweinchen. Mir egal.« Mrs. Billington-Wall war es keineswegs egal. »Wie absolut dégoûtant. Ich habe noch nie im Leben etwas derart Widerliches gehört.«
Gleichmütig zuckte der Küchenchef die Achseln. »Nicht widerlich, Sonderbar, gebe ich zu, aber englische Mylords sind dafür bekannt, daß sie ... wie sagt man ...?«
»Widerlich sind«, beharrte Mrs. Billington-Wall.
»Exzentrisch sind«, sagte der Küchenchef, als er das gesuchte Wort gefunden hatte.
»Sie mögen so was vielleicht für exzentrisch halten,
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