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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Frau war dies eine recht sonderbare Einstellung, doch Frederick sollte bald dahinterkommen, daß Tante Emmelia zumindest einen Grundsatz hatte, an den sie sich strikt hielt. Diskrete Zurückgezogenheit war für sie Ehrensache, und stets zitierte sie jenen Petrefact aus dem siebzehnten Jahrhundert, der gesagt haben soll: Wenn Gott sich damit zufriedengegeben hatte, Moses’ Frage nur mit: »Ich bin, der ich bin« zu beantworten, dann stand der Familie ebensolche Bescheidenheit gut an. Ein Petrefact war ein Petrefact, und dieser Name war Titel genug. Nach Tante Emmelias Dafürhalten hatte ihr Bruder den Namen der Familie durch das Hinzufügen des »Lord« beschmutzt. Dies und weniger die schlechte Behandlung seines Sohnes gab den Ausschlag dafür, daß Frederick Tante Emmelias spezielle Zuneigung und die uneingeschränkte Leitung der Fabrik errang.
    »Du kannst damit machen, was du willst«, hatte sie ihm erklärt. »Es ist die Aufgabe eines Unternehmens, Profit abzuwerfen, und wenn du ein echter Petrefact bist, wird dir das auch gelingen. Ich stelle nur eine Bedingung: keinerlei Kontakt zu deinem Vater. Ich will absolut nichts mehr mit ihm zu tun haben.«
    Frederick schlug ohne zu zögern ein. Die letzte Unterredung mit seinem Vater war so unerfreulich gewesen, daß er nicht den Wunsch verspürte, sie zu wiederholen. Andererseits war Tante Emmelias Charakter für seinen Geschmack zu subtil. Nie wußte er, was sie wirklich dachte, außer über seinen Vater. Und er argwöhnte, daß sie hinter dieser Fassade geistesabwesender Freundlichkeit ebensowenig nett war wie alle anderen Familienmitglieder.
    Zumindest ihre Wohltätigkeit war von einer so unübersehbaren Arroganz und krassen Widersprüchlichkeit, daß Frederick nie so recht wußte, woran er bei ihr war. Einmal zum Beispiel hatte sie einem schwerreichen Bauern, der den Kauf von ein paar Morgen Land so heftig begossen hatte, daß er in der Gosse liegenblieb, eine Pfundnote gegeben und diesen Affront mit der Bemerkung begleitet, sie hoffe sehr, daß er bei der Gemeinde Arbeit als Straßenfeger bekommen würde. Soweit Frederick feststellen konnte, erging es allen anderen Leute in Buscott mit ihr ebenso. Emmelia weigerte sich, in die Kirche zu gehen. Die Überredungsversuche mehrerer Vikare hatte sie mit dem Hinweis auf die liebevollen Taten der Christen in Irland, Mexiko und England zur Zeit der Reformation abgeschmettert. »Ich kümmere mich um meine Angelegenheiten, und von anderen erwarte ich dasselbe«, sagte sie. »Außerdem werde ich nie begreifen, was für einen Gefallen Gott daran finden sollte, daß sich die Leute in Kirchen versammeln und lächerliche Lieder singen – und falsch noch dazu. Mir will das einfach nicht in den Kopf.«
    Andererseits gab es Vermutungen, daß Emmelia nachts manchmal aus dem Haus schlich und Geld in die Briefkästen von Rentnern steckte. Außerdem bot das New House eine sichere Zuflucht für überzählige Katzen. Auch wurde darüber spekuliert, warum Emmelia nie geheiratet hatte. Da sie mit sechzig noch immer eine hübsche Frau war, nahm man allgemein an, daß der Grund für ihre Ehelosigkeit die mit einer Heirat verbundene Namensänderung war. Alles in allem war Tante Emmelia für ihre Umwelt ein wandelndes Rätsel. Doch die Pflicht rief, und so fuhr Frederick wie gewohnt hinauf zum New House. Ausnahmsweise rutschte Tante Emmelia nicht auf Knien in ihrer Blumenrabatte herum, und auch das Gewächshaus war leer.
    »Seit sie diesen Brief bekommen hat, ist sie schrecklich aufgebracht«, berichtete Annie. »Sie ist schon weiß Gott wie lange in der Bibliothek.« Unsicher durchquerte Frederick die Halle. Er konnte sich mehrere Gründe ausmalen, aus denen er den Zorn seiner Tante auf sich herabbeschworen haben mochte, aber die verdrängte er lieber.
    Als er ihr Zimmer betrat, saß Tante Emmelia bebend vor Wut an ihrem Schreibtisch und bückte aus dem Fenster. »Ich habe soeben einen völlig absurden Brief von deinem Onkel Pirkin erhalten«, sagte sie und schleuderte ihm ihre Hand mit dem Schreiben entgegen. »Natürlich ist dein Vater an allem schuld, aber daß Pirkin sich so aufregt, bedeutet für mich, daß er senil wird.«
    Frederick las den Brief. »Wieder sein Größenwahn«, sagte er unbekümmert, »nur begreife ich nicht, wieso Vater einen Mann wie Yapp engagiert, um eine Familiengeschichte schreiben zu lassen.«
    »Weil er weiß, daß mich das in Rage bringt.«
    »Aber Onkel Pirkin denkt anscheinend .. .« »Pirkin ist des Denkens

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