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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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glauben fiel ihm schon schwer genug, aber das unvermutete Erscheinen der Sänfte und ihres Inhalts brachte ihn vollends aus der Fassung.
    »Was ist denn das, um Himmels willen?«
    Lord Petrefact ignorierte die Frage. Im Umgang mit Staatsdienern kannte er keinerlei Skrupel. »Sagen Sie mir gefälligst, was Sie auf privatem Grund und Boden zu suchen haben. Die Antwort können Sie sich sparen. Ich werde beim Innenminister Beschwerde einlegen, und Sie können Gift darauf nehmen, daß man Sie zur Rechenschaft ziehen wird. Und jetzt gebe ich Ihnen fünf Minuten, um mit Ihrer ganzen Menagerie zu verschwinden. Sollten Sie danach noch hier sein, werde ich Sie wegen unbefugten Eindringens, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung belangen. Croxley, holen Sie mir den Generalstaatsanwalt ans Telefon. Ich übernehme den Anruf im Arbeitszimmer. Professor Yapp wird mich begleiten.« Und ohne den Inspektor noch eines Blickes zu würdigen, ließ er sich in seiner Säfte hinaus und durch die Halle in sein Arbeitszimmer tragen. Yapp folgte ihm voll widerstrebender Gefühle. Er hatte viel vorn Einfluß des sogenannten Establishments gehört und auch Vorlesungen darüber gehalten, aber noch nie hatte er ihn so drastisch in Aktion erlebt. »Ich will verdammt noch mal wissen, wer zum Teufel uns in diese verdammte Scheiße geritten hat!« tobte der Inspektor, als die Prozession außer Sichtweite war.
    »Mrs. Billington-Wall«, sagte Croxley, der sich im Hintergrund gehalten hatte, um nicht als Sänftenträger fungieren zu müssen und um die dummen Gesichter der Kriminalbeamten mitzuerleben. »Wenn Sie ungeschoren davonkommen wollen, würde ich Ihnen empfehlen, sie zum Verhör mitzunehmen.« Und mit diesem Vorschlag, der dem widerlichen Weib enorme Unannehmlichkeiten bereiten würde, folgte er Yapp ins Arbeitszimmer. Zehn Minuten später war die Polizei verschwunden. Und mit ihr, entschieden gegen ihren Willen, Mrs. Billington-Wall.
    »Das Ganze ist ein Komplott«, schrie sie, als man sie in einen Streifenwagen steckte, »und ich sage Ihnen, daß dieser Kerl mit der Intourist-Tasche dahintersteckt. «
    Insgeheim gab ihr der Inspektor recht. Yapp hatte ihm von Anfang an nicht gefallen, aber das, was der Generalstaatsanwalt am Telefon gesagt hatte, ebensowenig. Auch konnte er sich nicht vorstellen, daß er die unvermeidliche Unterredung mit dem Polizeidirektor sonderlich genießen würde. Und da sich die Waagschale nun mal zuungunsten von Mrs. Billington-Wall gesenkt hatte, beabsichtigte er, sich aus ihrer Aussage eine Ausrede zurechtzubasteln.
    Nachdem sie Fawcett House den Rücken gekehrt hatten, nahmen die Dinge dort ungehindert ihren Lauf. Der Anschlag, der besagte, daß Besucher gegen eine Gebühr von zwei Pfund willkommen seien, wurde entfernt. Yapp ließ sich zu einem Glas Cognac überreden. Croxley nahm die sofortige Kündigung des empörten Küchenchefs entgegen und entließ die Mietmenschen. Das Ärzteteam schlug im privaten Arbeitszimmer im Erdgeschoß ein zweites Bett auf. Doch sobald sich Lord Petrefact dort eingerichtet hatte, befahl er, den umgebauten Leichenwagen bereitzustellen, der ihn nach einer kurzen Verschnaufpause nach London bringen sollte.
    Und schließlich fuhr auch Waiden Yapp, mit aufgefrischten sozialen Ressentiments, die ihn bei seinen Nachforschungen anspornen würden, und mit einem Scheck über zwanzigtausend Pfund in der Tasche, in seinem Mietwagen davon. Er konnte es kaum erwarten, zu seinem Modem zurückzukehren und Doris ausführlich über seine jüngsten Erlebnisse zu berichten.

Kapitel 9
    Die kleine Stadt Buscott (7048 Einwohner) schmiegt sich in das Tal von Bushampton im Herzen Englands. Das jedenfalls machen die wenigen Reiseführer, die sie überhaupt erwähnen, den Touristen glauben. In Wirklichkeit kauert Buscott unscheinbar neben dem Flüßchen, das ihm zum ersten Teil seines Namens und den Ur-Petrefacts zu einem Großteil ihres Reichtums verholfen hat. Die alte Mühle steht noch heute am Ufer des Bus, und die Überreste des Mühlrades verrosten und verfaulen in einem Tümpel unter Plastikflaschen und Bierdosen. An dieser Stelle hatten die Petrefacts jahrhundertelang Korn gemahlen und, wenn Yapps Annahmen stimmten, die Armen verheizt. Die neue Mühle hingegen, die, wie Lord Petrefact erwähnt hatte, 1784 erbaut worden war, ragt weiter flußabwärts wie ein gigantisches Monument in den Himmel und sorgt für den einzigen Industriezweig des Städtchens und für vermutlich unterbezahlte Arbeitsplätze.

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