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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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aber sie waren weiß getüncht, die Gärten standen voller Blumen, und das New House strahlte eine dezente Eleganz aus, die auf einen besseren Geschmack des Erbauers schließen ließ, als Yapp vermutet hätte. Es war ein vornehmer Herrensitz mit zierlich geschwungenen, schmiedeeisernen Baikonen und schrägem Vordach. Im Vordergrund ein gepflegter Rasen, daran anschließend zu beiden Seiten eine Kiesauffahrt und dahinter eine Blumenrabatte und blühende Hecken. Neben dem Haus glitzerte ein großes Gewächshaus in der Sonne. Yapp konnte beim besten Willen nicht behaupten, daß das New House das Stadtbild von Buscott auf jene düstere Art beherrschte, die er sich vorgestellt hatte. Als er seine Aufmerksamkeit auf die Mühle lenkte, wurde er aufs neue enttäuscht. Denn von seinem Aussichtspunkt aus wirkte die Fabrik am Fluß ausgesprochen freundlich und einladend. Während er sie mit gemischten Gefühlen betrachtete, fuhr ein heller Lieferwagen durchs Tor und hielt im gepflasterten Hof. Der Fahrer stieg aus, öffnete die Ladeklappe, und schon wurde der Wagen in einem Tempo entladen, das Yapp in keiner der vielen Fabriken, mit denen er sich eingehend beschäftigt hatte, je erlebt hatte. Schlimmer noch, die Arbeiter wirkten sogar fröhlich und lachten; und lachende Arbeiter waren absolut jenseits seines Erfahrungshorizonts.
    Alles in allem widersprach der erste Eindruck von Buscott seinen Erwartungen so gründlich, daß er erst mal seinen Rucksack absetzte, sich auf eine Bank niederließ und seine belegten Brote herauskramte. Während er sie mampfte, durchforstete er die statistischen Unterlagen, die er über Buscott zusammengetragen hatte: niedrige Löhne, hohe Arbeitslosenquote, unzureichende medizinische Versorgung, das völlige Fehlen gewerkschaftlicher Interessenvertretung, Anzahl der Häuser ohne Bäder, Säuglingssterblichkeit, die beharrliche Weigerung des zweifellos Petrefacthörigen Stadtrats, eine höhere Schule einzurichten, die mit dem dubiosen Argument begründet wurde, daß für Buscott, das nicht einmal eine Grundschule hatte, die vorhandene Hauptschule hoch genug sei. Keine dieser trostlosen Tatsachen ließ sich mit seinem ersten Eindruck von der Stadt vereinbaren, und das Lachen, das von der Fabrik zu ihm heraufdrang, erst recht nicht. Und so überlegte er, während er aufstand und bergab durch den Wald in Richtung Fluß ging, daß es doch klug gewesen war, erst allein hierherzukommen, um sich in der Stadt umzusehenbevor er das Team von Soziologen und Wirtschaftshistorikern schickte, das er an der Universität rekrutiert hatte. In seinem Büro in der Fabrik war Frederick Petrefact mit dem Durchsehen der Andrucke für den neuen Katalog fertig, ließ noch eine Bemerkung über das mißlungene Verzeichnis der Farbfotos vom Stapel und beschloß sodann, daß es Zeit zum Lunch sei. Lunch am Donnerstag war gleichbedeutend mit Tante Emmelia, konfuser Unterhaltung, Katzen und kaltem Hammel. Was davon das Schlimmste war, hätte Frederick nur schwer sagen können. Der kalte Hammel hatte zumindest den Vorteil, tot zu sein, und die Trägheit mehrerer Katzen, auf die er sich im Lauf der Zeit gesetzt hatte, ließ ihn vermuten, daß Tante Emmelias Menagerie auch nur begrenzt lebendig war. Aber in erster Linie war es die Kombination von Tante Emmelia und ihrer Konversation, die die Donnerstage für ihn zu schwarzen Tagen machte. Verschlimmert wurde die Angelegenheit noch dadurch, daß Frederick genau wußte, daß er ohne sie nicht dort stünde, wo er war, und daß er sich aufgrund dieser Tatsache natürlich keinerlei Grobheiten leisten konnte. Nicht daß es ihm gefallen hätte, in Buscott zu leben oder die Fabrik zu leiten, aber immerhin gab ihm das die Chance, sich anstelle des Vermögens, das ihm sein Vater vorenthielt, ein anderes zu verschaffen. Und eines hatte Tante Emmelia mit ihm gemeinsam: Sie haßte seinen Vater.
    »Ronald ist ein ungehobelter, ordinärer Mensch«, meinte sie, als Frederick sie erstmals aufsuchte, um ihr seine Probleme zu schildern. »Er hätte unseren Namen nie dadurch beschmutzen dürfen, daß er sich von diesem üblen, kleinen Kerl zum Peer machen ließ. Abgesehen davon möchte ich nicht wissen, was er angestellt hat, um sich diesen Titel zu verdienen. Würde mich nicht wundern, wenn er allen Grund gehabt hätte, nach Brasilien zu fliehen. Denn soviel Anstand, dem Beispiel dieses anderen Kerls zu folgen und sich zu erschießen, hätte er sicher nicht besessen.«
    Für eine so betont häusliche

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