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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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... Sie ging nach unten, holte eine Schere und machte sich ans Werk. Als sie fertig war und sich das Unterteil umgeschnürt hatte, betrachtete sie sich zufrieden im Spiegel. Jetzt noch ein paar Spritzer Parfüm, dann war sie fertig.
    Yapp hatte einen qualvollen Abend hinter sich. Er hatte in Buscott Ausschau nach einem Café gehalten und mehrere gefunden. Aber alle hatten geschlossen. Also war er in ein Pub gegangen und hatte das übliche Bitter bestellt, bevor er sich nach etwas zu essen erkundigte und eine abschlägige Antwort erhielt. Aber vielleicht würde er im Fröhlichen Zecher noch etwas bekommen. Nachdem er sein Bier ausgetrunken hatte, machte er sich hoffnungsvoll auf den Weg, wurde aber wieder enttäuscht. Das Pub wurde seinem Namen nicht annähernd gerecht, und der Wirt hatte auf seine Frage stocksauer reagiert. Yapp hatte ein zweites Bier bestellt, teils um den Mann zu besänftigen, teils weil er aus Erfahrung wußte, daß sich aus solch verbitterten Quellen oft die ergiebigsten Informationen schöpfen ließen. Doch trotz aller Bemühungen, den Mann zum Sprechen zu bringen, erfuhr er lediglich, daß er aus Wapping stammte und es bereute, nicht dort geblieben zu sein. »Tote Hose«, lautete sein Kommentar zu Buscott, und obwohl Yapp diesen Ausdruck zum erstenmal hörte, konnte er sich denken, was gemeint war. Zwei weitere Pubs, und er war derselben Ansicht. Buscotts Nachtleben war deutlich limitiert, und obwohl die Leute angeblich viel tranken, geschah dies anscheinend nach dem Abendessen und zu Hause. Ihre Unterhaltung verstummte, sobald er ein Pub betrat, und wenn er versuchte, Anteil an ihrem ausgebeuteten Leben zu nehmen, indem er ein Gespräch über die Fabrik, die Petrefacts oder irgendein anderes Thema begann, reagierten sie auffallend zurückhaltend. Für Yapp war das die typische Reaktion unterdrückter Menschen, die Angst hatten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Er mußte ihr Vertrauen gewinnen, indem er sie davon überzeugte, daß er auf ihrer Seite stand. Sein erster Schritt in dieser Richtung bestand darin zu verkünden, daß sein Vater Werkzeugmacher gewesen sei, seine Mutter im spanischen Bürgerkrieg gekämpft habe und er selbst nach Buscott gekommen sei, um für einen Fernsehfilm über Hungerlöhne, Überstunden und das Fehlen einer gewerkschaftlichen Vertretung in der Mühle zu recherchieren. Diese Ankündigung wurde mit einem für seine Begriffe bemerkenswerten Mangel an Begeisterung aufgenommen, und in einigen Gesichtern glaubte er regelrechte Angst zu lesen. »Wie war noch mal Ihr Name?« fragte ein etwas gesprächigerer Mann im letzten Pub herausfordernd. »Yapp. Waiden Yapp. Ich wohne oben in der Rabbitry Road bei den Coppetts«, antwortete Yapp. »Die kennen Sie doch sicher«, fügte er hinzu. Der andere ignorierte diese Anbiederung.
    »Am besten, Sie kümmern sich um Ihre eigenen Angelegenheiten«, sagte er, trank sein Bier in einem Zug aus und knallte das Glas auf den Tisch. Yapp verstand den Wink, trank ebenfalls aus und wollte soeben noch zwei Bier bestellen, als sein Freund dem Wirt zunickte und ging. Yapp lächelte trübe und ging ebenfalls. Vielleicht mußte er doch sein Forschungsteam nach Buscott holen und das Problem von der statistischen Seite her angehen. Inzwischen verspürte er einen Bärenhunger. Sicher gab es in Briskerton, wo er seinen Koffer am Bahnhof hatte stehenlassen, ein offenes Café. Yapp kehrte zu seinem Vauxhall zurück und nahm die Straße nach Briskerton.
    Doch trotz aller Enttäuschung darüber, daß Buscott nicht so war, wie er und Doris es sich vorgestellt hatten, und daß zuerst jener fast bäurische Argwohn überwunden werden mußte, bevor er dem Einfluß der Petrefacts auf den Grund gehen konnte, machte ihm etwas anderes ungleich mehr zu schaffen: das erblich verankerte Unglück von Mr. und Mrs. Coppett. Fast kam es ihm vor, als würden diese beiden die bloße Möglichkeit einer glücklichen Welt, auf die all seine Bemühungen abzielten, in Abrede stellen. Yapp wurde von einer Woge des Mitleids erfaßt, an der das Bier nicht ganz unschuldig war. Er mußte sehen, was er tun konnte, um Mr. Coppett zu einer befriedigenderen Arbeit als der auf dem Schlachthof zu verhelfen. Vielleicht gelang es sogar, Mrs. Coppett begreiflich zu machen, daß ihr Mann ein empfindsamer Mensch war, den es einfach verletzen mußte, wenn er zum Abendessen Kutteln mit Zwiebeln vorgesetzt bekam.
    Diese gutgemeinten und menschenfreundlichen Überlegungen begleiteten Yapp bis

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