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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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nach Briskerton. Nachdem er seinen Koffer vom Bahnhof abgeholt hatte, begab er sich erneut auf die Suche nach einem Café. Doch in dieser Hinsicht erwies sich Briskerton als ebenso hinterwäldlerisch wie Buscott, so daß Yapp schließlich einige Biere mehr als beabsichtigt trank, während er in einem anderen Pub auf einen Teller Sandwiches wartete.

Kapitel 11
    Droben im New House saß Emmelia in der Dämmerung in der Bibliothek und schrieb Briefe. Durch die offenen Glastüren blickte sie auf die Blüten der »Frau Karl Druschki«, die eine längst verblichene Tante etwas zweideutig zum Andenken an ihren verstorbenen Mann gepflanzt hatte. Da die »Frau« unter Rosenzüchtern allgemein »das geruchlose, kalte weiße Wunder« genannt wurde und besagter Onkel leidenschaftlich für parfümierte Damen geschwärmt hatte, hatte sich Emmelia angesichts der Wahl ihrer Tante schon oft gefragt, ob Onkel Rundle auch eine Vorliebe für warme, schwarze Geliebte gehegt haben mochte. Das hätte der Entscheidung für diese Rose eine subtile Pikanterie verliehen, die selbst Emmelias würdig gewesen wäre. Doch vorerst blieb ihr keine Zeit für Spekulationen. Sie war vollauf damit beschäftigt, ihre Neffen und Nichten, Cousins und Cousinen, ihre drei Schwestern und sämtliche über den ganzen Erdball verteilten Verwandten von Ronalds abscheulichem Plan einer Familiengeschichte in Kenntnis zu setzen.
    »Unsere Ehre und, dessen bin ich mir sicher, unsere Stärke liegen in der diskreten Zurückgezogenheit«, schrieb sie wiederholt. »Das war von jeher unser wertvollster Besitz, und ich werde nicht dulden, daß er jetzt entweiht wird.« Mit der den Petrefacts eigenen Arroganz ging sie über die abenteuerliche metaphorische Mischung hinweg. Besitz konnte entweiht werden, und solange Besitztümer den Ruf der Familie aufrechterhielten, war der Ruf ein Garant für den Reichtum. Einen Petrefact, wenn er auch arm war wie eine Kirchenmaus, konnte man an jeden beliebigen Ort der Welt stellen und Gift darauf nehmen, daß er durch harte Arbeit, schlaue Geschäfte und überzeugendes Selbstbewußtsein ein reicher Mann wurde. Dabei spielte es keine Rolle, daß ein solcher Petrefact jederzeit Geld bei der Familienbank aufnehmen oder sich, wenn nötigmit seinem Namen anderswo Kredit beschaffen konnte. Ohne diesen Namen wäre er eben nicht kreditwürdig, und Emmelias Aufgabe war es, dafür zu sorgen, daß dieser Name von vornehmer Diskretion umgeben blieb. Andere Familien hatte übertriebene Protzerei in vergleichbaren Situationen in Armut gestürzt und völlig von der Bildfläche verschwinden lassen. Diesem Beispiel würden die Petrefacts nicht folgen. Professor Yapp – allein schon der Name machte die Verderbtheit ihres Bruders deutlich – würde vor verschlossenen Türen stehen, wo immer er anklopfte, um Nachforschungen anzustellen. Und nachdem sie ihren letzten Brief beendet hatte – an Fiona, eine Nichte, die mit einer zwittrigen modernen Bildhauerin als, wie beide es nannten, eingeschlechtige Familie auf Korfu lebte – setzte sie sich zurück und überlegte, wie sie am besten Druck auf die älteren und entfernteren Verwandten ausüben könnte, auf die sie weniger Einfluß hatte. Da war zum einen die alte Tante Persephone, inzwischen hoch in den Neunzigern und in einem privaten Pflegeheim in der Nähe von Bedford eingesperrt, teils wegen ihres hohen Alters, in erster Linie aber, weil sie nach vierzigjähriger Witwenschaft eines Tages aus heiterem Himmel verkündet hatte, daß sie einen bereits verheirateten, aus Jamaika stammenden Busfahrer zu heiraten gedenke, der ihr auf dem allwöchentlichen Weg in den Zoo tollkühn in seinen Bus geholfen hatte. Ein Wort mit der Heimleiterin würde genügen, damit Professor Yapp nicht vorgelassen wurde. Richter Petrefact war kein Problem. Er würde dem Biographen eine saftige Abfuhr erteilen. Desgleichen Brigadegeneral Petrefact, der seinen Ruhestand damit ausfüllte, daß er versuchte, braungetupfte Wüstenrennmäuse zu züchten, indem er sie mit siamesischen Katzen kreuzte, ein Verfahren, dem von Anfang an eine Unmenge weiblicher Wüstenrennmäuse zum Opfer gefallen war und das inzwischen indirekter, aber ebensowenig erfolgreich, in Form künstlicher Besamung der Katzen durch die Wüstenrennmäuse fortgesetzt wurde. Emmelia empfand dieses Hobby als ebenso harmlos wie widerlich, aber zumindest hatte der alte Soldat den Vorzug, monomanisch veranlagt zu sein, so daß keine große Gefahr bestand, daß er Yapp

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