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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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aufzutischen. »Ich komme von der Universität Kloone«, wich er aus. »Ich bin Professor für Proletarische Geschichtsschreibung und interessiere mich ganz besonders für ...«
    »Wir nicht. Das kannst du den Bossen erzählen.«
    »Nicht was?«
    »Besonders interessiert, verdammt. Und jetzt zisch ab.« Um seiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen, erhob er drohend sein Transparent. Yapp zog ab, und Willy nahm voller Genugtuung darüber, daß Professor Yapp ungeachtet der Extras, die er gestern angeboten bekommen haben mochte, heute nirgends recht weiterkam, die Verfolgung auf. Nachdem sie eineinhalb Kilometer am Fluß entlanggegangen (beziehungsweise, was Willy betraf, gerast) waren, plan- und ziellos eine Straße mit Fabrikarbeiterhäuschen hinauf- und eine zweite hinuntergelaufen waren, in der es keine Vorgärten zum Verstecken gab, so daß Willy abwarten mußte, bis Yapp um die Ecke gebogen war, bevor er ihm, gefolgt von einer johlenden Meute kleiner Jungen, hinterherhetzen konnte, hatte Willy allmählich das Gefühl, daß er sich seine zehn Pfund recht hart verdienen mußte. Erschwerend kam hinzu, daß Yapp einige Male stehenblieb und Leute ansprach und Willy die Befragung jedesmal wiederholen mußte.
    »Er wollte wissen, was ich über die verdammten Petrefacts weiß«, schimpfte ein alter Mann, nachdem es Willy gelungen war, ihn davon zu überzeugen, daß er es nicht mit einem vorwitzigen Kind zu tun hatte, sondern mit einem wißbegierigen, echten Zwerg. »Ich habe ihm gesagt, ich kenne diese Scheißkerle nicht.«
    »Sonst noch was?«
    »Wie es in der Fabrik ist, wieviel sie mir zahlen und so Zeug.«
    »Haben Sie’s ihm gesagt?«
    »Wie zum Teufel hätte ich, Kerl? Bin nie dort gewesen. Hab’ mein Leben lang bei der Eisenbahn in Barnsley gearbeitet. Bin hier zu Besuch bei meiner Tochter.«
    Willy raste weiter, schoß um die Ecke und war nur mäßig erleichtert, als er feststellte, daß ihm seine Beute nicht entwischt war. Yapp saß auf einer Bank mit Blick auf den Fluß und stellte – oder genauer: plärrte – Fragen in das Hörgerät eines betagten Rentners. Willy bezog Horchposten hinter einer Briefkastensäule.
    »Haben Sie Ihr ganzes Leben lang hier gewohnt?« brüllte Yapp. Der alte Mann zündete mit zitternder Hand seine Pfeife an und nickte.
    »Und in der Mühle gearbeitet?«
    Der Mann nickte weiter.
    »Können Sie mir sagen, wie es war – Arbeitsbedingungen, Überstunden, niedrige Löhne und so weiter?« Der Mann nickte noch immer. Anscheinend sah Yapp seine Chancen steigen. Er öffnete seine Blechbüchse und holte ein belegtes Brot heraus.
    »Wissen Sie, ich mache eine Untersuchung über die Ausbeutung der Arbeiterklasse durch Fabrikbesitzer zur Zeit der Wirtschaftsdepression, und man hat mir gesagt, daß die Petrefacts als miese Arbeitgeber berüchtigt sind. Ich wäre Ihnen für jede Information dankbar, die Sie mir dazu geben können« Willy hinter seinem Briefkasten lauschte aufmerksam. Jetzt hatte er wenigstens etwas zu berichten, und da er in dem alten Mann Mr. Teedle erkannt hatte, der nicht nur stocktaub war, sondern sich infolge eines langen Ehedaseins mit einer charakterstarken und stimmgewaltigen Frau auch angewöhnt hatte zu nicken, anstatt den Mund aufzumachen, wußte er den Professsor in sicherer und uninformativer Gesellschaft. So verließ Willy sein Versteck, überquerte die Straße und kehrte im Anker ein, wo er sich eine Hackfleischpastete und ein paar Biere zu Gemüte führen und gleichzeitig ein Auge auf Yapp werfen konnte. Aber zuerst wollte er Mr. Frederick anrufen. Mit größter Selbstverständlichkeit, die nur der Tatsache zuzuschreiben war, daß er der stadtbekannte Zwerg war, schleifte er einen leeren Bierkasten zum Telefon, wählte die Nummer der Mühle und fragte nach Mr. Frederick.
    »Und er tut nichts anderes, als die Leute zu fragen, was hier los ist?« fragte Frederick, als Willy seinen Bericht beendet hatte. Willy nickte, so daß Frederick die Frage wiederholen mußte, um den Zwerg aus seiner ehrerbietigen Sprachlosigkeit zu locken. »Ja«, nuschelte er schließlich.
    »Und sonst stellt er keine Fragen?«
    »Nein.«
    »Nur, was wir hier machen?«
    »Ja«, sagte Willy, der es vorzog, sich Mr. Fredericks frisch erworbene Sympathie nicht dadurch zu verscherzen, daß er niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen erwähnte. Diesmal war es Frederick, der schwieg. Er überlegte krampfhaft, was er tun sollte. Es gab mehrere Möglichkeiten, von denen ihm keine

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