Feine Familie
sei. »Bemerkenswert.«
Die Besichtigung ging weiter, und als Emmelia schließlich zu einem jungen Mann kam, der mit dem Hammer männliche Keuschheitsgürtel ausbeulte, hatte sich Emmelia so viel majestätische Souveränität zugelegt, daß sie stehenblieb und ihn fragte, ob ihm seine Arbeit Spaß mache und ob er sie als lohnend empfinde. Verständnislos glotzte er sie an. Emmelia lächelte huldvoll und ging weiter. Von Plastikpenissen und handgefertigten Keuschheitsgürteln ging es weiter zu Henker- Kapuzen, Ketten und Geißelzubehör in der Sado-Abteilung, wo Emmelia lebhaftes Interesse für aufblasbare Knebel zeigte. »Zweifellos als Ergänzung zu den französischen Kondomen gedacht«, sagte sie und wandte sich, ohne eine zutreffendere Erklärung abzuwarten, verschiedenen Typen von Peitschen zu. Nicht einmal das breite Angebot unterschiedlicher Massagestäbe konnte sie jetzt noch erschüttern.
»Es muß ungeheuer befriedigend sein zu wissen, daß man dazu beiträgt, so vielen Leuten so viel Vergnügen zu bereiten«sagte sie zu dem Mädchen, das die fertigen Produkte überprüfte.
Der Vorarbeiterin, die sich verlegen hinter ihr hielt, wurde zusehends elender. Aber Emmelia ging einfach weiter, lächelte freundlich und vermittelte den Eindruck völliger Unerschütterlichkeit. Innerlich kochte sie und brauchte dringend eine Tasse Tee.
»Ich werde in Mr. Petrefacts Büro warten«, sagte sie zu ihrer Begleiterin, nachdem sie ihre Tour beendet hatte. »Seien Sie so gut und bringen Sie mir eine Kanne Tee.« Damit ließ sie die verdutzte Frau stehen, ging in Fredericks Büro und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Im Sozial-Konservativen Arbeiterclub von Buscott ließ Frederick seine Mittagspause mit einer Runde Billard ausklingen und rüstete sich soeben zum Gehen, als er ans Telefon gerufen wurde. Zehn Sekunden später war er leichenblaß und verspürte nicht die geringste Lust, sich der verdammten Mühle auch nur einen Schritt zu nähern. »Was sagen Sie da?« brüllte er.
»Sie sitzt in Ihrem Büro«, wiederholte seine Sekretärin. »Sie hat sich die ganze Fabrik angesehen, und jetzt sagt sie, sie will warten, bis Sie zurückkommen.«
»O mein Gott! Können Sie sie nicht irgendwie los ... Nein, wohl kaum.« Er legte auf und ging zurück an den Tresen. »Ich brauche etwas Starkes und Geruchloses«, erklärte er dem Mann hinter der Bar, »am besten tantenabstoßend.«
»Wodka riecht nicht sonderlich, aber bei Tanten habe ich ihn noch nie ausprobiert.«
»Haben Sie eine Ahnung, was Todeskandidaten kriegen?« Der Barmixer empfahl Cognac. Frederick kippte sich einen dreifachen hinter die Binde, versuchte krampfhaft, sich eine geeignete Ausrede für Tante Emmelia zusammenzubasteln, und gab es sogleich wieder auf.
»Da geht er hin«, murmelte er, als er in die Gasse einbog, die zur Fabrik führte. Vor dem Tor standen noch immer die Streikposten. Frederick schickte sie nach Hause. Die Erkenntnis, daß sie zwar den Zweck erfüllt hatten, Yapp zu verjagen, dafür aber seine Tante hineingelockt hatten, kam reichlich spät. Trotzdem konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum zum Teufel sie sich ausgerechnet diesen Tag für einen Gang in die Stadt ausgesucht hatte. Doch diese Frage war sekundär. Tatsache war, daß sie in seinem Büro saß. Mit einem Fluch, der Yapp, seinen Vater, Tante Emmelia und die ganze elende Heuchelei mit einschloß, die ihm zu einem Vermögen verhelfen hatte und es ihm jetzt bestimmt wieder entreißen würde, ging er hinein und begrüßte Tante Emmelia mit gespieltem Erstaunen.
»Wie nett, dich hier zu sehen«, sagte er in der Hoffnung, seinen ganzen Charme in die Waagschale geworfen zu haben. Tante Emmelia blieb ungerührt. »Mach die Tür zu und setz dich hin«, sagte sie. »Und wisch dir dieses blöde Grinsen vom Gesicht. Ich habe im Laufe der letzten Stunden so viel widerliches Zeug gesehen, daß es mir bis an mein Lebensende reicht. Also spar dir dein kriecherisches Getue.«
»In Ordnung«, sagte Frederick. »Aber bevor du anfängst, dich über Pornographie, perverse und mangelnde Moral auszulassen, möchte ich dir sagen ...«
»Ach, halt doch den Mund«, unterbrach ihn Tante Emmelia. »Ich habe weitaus Wichtigeres im Kopf als dein verqueres Gewissen. Abgesehen davon: Wenn es einen Markt für derart unerreicht geschmacklose Apparaturen gibt wie den im neuesten Katalog angepriesenen Thermalvibrator mit Klistiervarianten, dann ist es wohl nicht gänzlich unvernünftig, so
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