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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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was herzustellen.«
    »Meinst du wirklich?«
    Emmelia schenkte sich Tee nach. »Selbstverständlich. Ich habe mir nie so ganz klar gemacht, was Marktzwänge sind, aber dein Großvater hatte den größten Respekt davor; und ich habe keinen Grund, an seinem Urteil zu zweifeln. Nein, was mich am meisten beunruhigt, sind diese Männer, die für jeden sichtbar mit ihren Transparenten vor dem Tor auf und ab marschieren. Ich möchte wissen, warum sie da sind.«
    »Um Professor Yapp fernzuhalten.«
    »Professor Yapp?«
    »Er ist in Buscott und will wissen, was wir in der Fabrik machen.«
    »Will er das wirklich?« sagte Emmelia, deren Stimme jetzt Besorgnis verriet.
    »Zu allem Überfluß wohnt er auch noch bei Willy Coppett und seiner Frau oben in der Rabbitry Road, und er läuft durch die Stadt und fragt jeden, was wir machen und so weiter.« Mit zitternder Hand setzte Tante Emmelia ihre Tasse ab. »Wenn das so ist, wird die Sache kritisch. Ausgerechnet Rabbitry Road! Und die Coppetts. Was zum Kuckuck bringt ihn auf die Idee, dort abzusteigen und nicht im Buscott Arms oder einem anderen anständigen Hotel?«
    »Das weiß der Himmel. Wahrscheinlich der Wunsch, anonym zu bleiben, während er herumschnüffelt.« Emmelia überlegte kurz und fand diese Erklärung anscheinend plausibler als jede andere. »Soviel zu der Behauptung, daß er an unserer Familiengeschichte arbeitet. Nicht einmal dein Vater, für den ich die denkbar geringste Achtung empfinde, würde so weit gehen, den Namen Petrefact in den Schmutz zu ziehen, indem er die Tatsache offenlegt, daß wir Sexartikel herstellen. Dieser Mann muß das sein, was man heutzutage als Nachforschungsjournalisten bezeichnet. In meiner Jugend nannte man so jemanden einen Schmutzaufwühler. Jedenfalls müssen wir ihn uns vom Hals schaffen.«
    »Vom Hals schaffen?«
    »Das habe ich gesagt, und das habe ich auch gemeint.« Frederick stierte sie an und überlegte, was zum Teufel sie wirklich meinte. Schließlich gab es unterschiedliche Möglichkeiten, sich andere Leute vom Hals zu schaffen, doch dem Tonfall nach zu schließen, mußte Emmelia an die radikalste gedacht haben.
    »Ja, aber ...«
    »Kein Aber«, sagte Emmelia unerbittlich. »Hätte dieser Mann ehrbare Motive, hätte er dem New House einen Besuch abgestattet und seine Absichten kundgetan. Statt dessen wohnt er bei einer schwachsinnigen Frau und ihrem wachstumsreduzierten Mann in einer so ungesunden Gegend wie der Rabbitry Road. Ich finde das höchst ungut.« Frederick fand das auch, wenn auch nicht annähernd so ungut wie Tante Emmelias Forderung, sich Yapps zu entledigen. Doch bevor er etwas einwenden konnte, fuhr sie schon fort: »Und da du nun einmal derjenige bist, der uns in diese höchst unerquickliche Situation gebracht hat – ich denke da an Nicholas, der in der Nachwahl für North Chatterswall kandidiert, ganz zu schweigen von deinem Onkel, dem Richter, und all den anderen –, indem du eine absolut respektable Schlafanzugfabrik auf die Produktion übelster Selbstbefleckungsgeräte umgestellt hast, betrachte ich es als deine Pflicht, uns da wieder rauszuholen. Sag mir Bescheid, sobald dieser Kerl verschwunden ist.«
    Und bevor Frederick das Argument ins Feld führen konnte, daß man heutzutage mit Schlafanzügen nicht mehr konkurrenzfähig sei, oder die drängendere Frage anschneiden konnte, auf welche Weise er sich Yapp vom Hals schaffen solle, stand Tante Emmelia auf und rauschte aus dem Zimmer. Er konnte noch hören, wie sie draußen zu seiner Sekretärin sagte, daß sie sich die Mühe sparen könne, ein Taxi zu rufen.
    »Ich gehe zu Fuß. Die frische Luft wird mir guttun«, sagte sie.
    Frederick sah ihr nach, bis sie das Fabrikgelände verlassen hatte, und überlegte kurz, woran es lag, daß für den Engländer Mord moralisch eher zu rechtfertigen war als Selbstbefriedigung. Und welcher Verrückte war bloß auf die Idee gekommen, Frauen als das schwache Geschlecht zu bezeichnen?
    Yapp beschäftigten ganz andere Probleme. Sein Spaziergang rund um und kreuz und quer durch Buscott wurde durch das höchst sonderbare Gefühl beeinträchtigt, daß er bereits bekannt war wie ein bunter Hund. Normalerweise hätte er dieses sofortige Erkanntwerden als schmeichelhaft und nicht ganz unverdient empfunden, aber in Buscott hatte es etwas nahezu Unheimliches an sich. Er brauchte nur den Fuß in ein Geschäft zu setzen und jemanden anzuhalten, um ihn nach dem Weg zu fragen, schon spürte er diese schweigende Ablehnung. Als er

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