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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Rosie ins Bett zurückzuverfrachten, gab es für Mrs. Mane keinerlei Zweifel mehr.
    »Widerlich«, sagte sie zu ihrem Mann, als sie unter die Decke schlüpfte. »Wenn man sich vorstellt, daß sie und er einen verfluchten Zwerg so übel zum Narren halten. Sie sollten sich schämen ...«
    Im Nebenhaus betrug sich Yapp tatsächlich wie ein Gentleman. Er gab sich alle Mühe, Rosie zu beruhigen, führte den plötzlichen Regen als Entschuldigung für Willys Ausbleiben ins Feld – »wahrscheinlich verbringt er die Nacht unten im Pub« –, entkräftete ihre nächste Theorie, nämlich daß man Willy wieder in einen Dachsbau gehetzt hatte oder daß er im Krankenhaus lag, indem er ihr klarmachte, daß sie in diesem Fall benachrichtigt worden wäre und daß es außerdem illegal sei, Pergs in einen Dachsbau zu hetzen. »In Buscott aber nicht. Sie haben es schon mal gemacht«, sagte sie, nachdem sie Yapp mit ihrer Beschreibung jener bewußten Jagd und ihrer blutigen Konsequenzen einen Schauder über den Rücken gejagt hatte, ließ sie von selbst von ihrer Theorie ab: »Nein, das kann nicht sein. Es ist nicht die richtige Zeit.«
    »Richtige Zeit oder nicht, es ist schlichtweg barbarisch«, sagte Yapp, für den das Jagen in dieselbe Kategorie gehörte wie private Krankenversicherungen. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er diese beiden Vorrechte der Reichen und Privilegierten längst abgeschafft.
    »Jahreszeit, Sie Dummkopf«, sagte Rosie. »Im Sommer wird nicht gejagt. Höchstens Rattenhatz.«
    »Rattenhatz?«
    »Sie tun einen in einen Ring mit hundert Ratten, und dann muß man versuchen, möglichst viele in einer Minute umzubringen. Dasselbe machen sie auch mit Hunden.«
    »Soll das heißen ... Lieber Himmel!«
    »Und Wetten schließen sie auch ab. Das letzte Mal bekam Willy hundert Pfund.«
    »Wie abscheulich«, sagte Yapp schaudernd. »Gewonnen hat er ja nicht. Gewonnen hat der Hund vom alten Mr. Hord. Willy hat das Geld dafür gekriegt, daß er es versucht hat und so oft gebissen wurde.« Als es Yapp endlich gelang, sich Rosies nicht endenwollender Aufzählung grausiger Möglichkeiten zu entziehen, konnte er keinen Schlaf mehr finden. Tief deprimiert lag er in seinem Bett, starrte in die Dunkelheit und wurde wiederholt von der grauenhaften Vorstellung gepackt, selbst von hundert wütenden Ratten umzingelt zu sein. Allem Einfluß der Petrefacts und seinen eigenen im Computer gespeicherten Statistiken zum Trotz war Buscott seinen Beobachtungen zufolge durchaus eine aufstrebende kleine Stadt des zwanzigsten Jahrhunderts. Doch unter der Oberfläche schwelte noch immer die Vorliebe für barbarische Sportarten, die im Grunde verboten waren und seinem Glauben an fortschrittliches Denken grundlegend widersprachen. Yapp suchte nach einer rationalen Erklärung für diesen grausamen Anachronismus, gelangte aber wie im Fall von Idi Amin, Kambodscha, Chile, Südafrika und Ulster lediglich zu dem Schluß, daß es Menschen gab, die einfach Lust am sinnlosen Töten empfanden und keinerlei Rücksicht auf den historischen Prozeß nahmen.
    Nicht weniger überstrapaziert als sein Gehirn war auch sein Körper. Seine Hände schmerzten, der Kopf dröhnte, und Beine und Rücken taten ihm scheußlich weh. Außerdem hatte er sich eine Erkältung zugezogen, die in Windeseile grippale Ausmaße angenommen hatte, so daß er nur noch schniefte und hustete.
    Unruhig warf Yapp sich in seinem Bett hin und her, bis er gegen Morgen endlich einschlief. Um zehn Uhr wurde er von Rosie geweckt.
    »Da haben Sie sich aber böse erkältet«, sagte sie. »Sie hätten gestern abend lieber aufpassen und nicht so naß werden sollen. Was haben Sie denn bloß gemacht?« Sie befühlte das über der Stuhllehne hängende Sakko. »Das ist ja ganz feucht. Kein Wunder, daß Sie krank geworden sind. Jetzt bleiben Sie mal schön liegen, ich bringe Ihnen gleich einen heißen Tee.« Yapp murmelte ein Dankeschön, drehte sich um und schlief wieder ein. Als der Postbote um elf Uhr Emmelia Petrefacts Brief ablieferte, fieberte er noch zu sehr, um Interesse daran zu zeigen.
    »Von Miss Petrefact«, sagte Rosie gewichtig. Normalerweise hätte dieser Tonfall Yapp aufhorchen lassen, aber jetzt nahm er ihn gar nicht zur Kenntnis.
    »Ich werde ihn später lesen. Jetzt möchte ich nur schlafen.« Yapp schlief den ganzen Tag, während Rosie sich abwechselnd Sorgen um Willy machte und was er wohl trieb und um den Professor und das, was in Miss Petrefacts Brief stehen mochte. Sie spielte mit dem

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