Feine Familie
Gedanken, ins Pub hinunterzugehen, um festzustellen, ob Willy dort gewesen war, zog dann den Schlachthof in Erwägung und wäre auch hingegangen, wenn Yapp nicht krank im Bett gelegen hätte. Und wie stand es mit einem Arzt? An die Nachbarn konnte sie sich nicht gut wenden, denn mit Mrs. Mane war sie noch nie gut ausgekommen, so daß sie sie jetzt schlecht um Hilfe bitten konnte. Also begann sie, um sich etwas abzulenken, wie wild zu putzen, machte für Willy Fleischpastete und Apfelküchlein und las dann das Horoskop in der Zeitung, in die die Kutteln eingewickelt gewesen waren, die er vor drei Tagen mitgebracht hatte. Sie mußte in der Abfalltonne danach wühlen, doch nachdem sie sie gefunden und festgestellt hatte, daß sie ein Fisch war, stand dort nichts über abgängige Ehemänner, sondern nur über finanzielle Zuwendungen, romantische Begegnungen und die Notwendigkeit, auf die Gesundheit zu achten. Danach heulte sie sich nochmals gründlich aus und ließ Blondie, dem Kaninchen, eine Menge unerwiderter, liebevoller Zuwendung zuteil werden. In regelmäßigen Abständen steckte sie den Kopf in Yapps Schlafzimmer, weil sie hoffte, er würde endlich aufwachen und ihr den guten Rat geben, den sie so dringend brauchte. Doch Waiden Yapp schlief tief und fest und ohne etwas von der ihn bedrohenden Realität zu ahnen. Nachdem jetzt so viele Personen in dieses Drama verwickelt waren, hatte sich die Lage entscheidend verändert. Auch für Willy, der im Kofferraum des Vauxhall kalt und steif geworden war und dalag wie das grausige Zerrbild eines bekleideten Fötus. Über die Realität, mit der er konfrontiert worden war, würde er keine Auskunft mehr geben können. Mr. Jipson hatte, um keinerlei Verdacht auf sich zu lenken, seinen Traktor mehrere Male mit dem Schlauch abgespritzt und war jetzt damit beschäftigt, ihn wieder zu verdrecken. Am kräftigsten hatte die Realität oben im New House zugeschlagen. Frederick, von seiner Tante herbeizitiert, mußte zu seiner Überraschung feststellen, daß sie ihre Meinung geändert hatte. »Aber du hast doch ausdrücklich gesagt, ich soll diesen Kerl loswerden«, brauste er auf, nachdem sie ihm von ihrem Brief an Yapp erzählt hatte. »Und jetzt lädst du ihn in dein Haus ein!«
»Genau. Ich habe die Absicht, ihn abzulenken, und außerdem möchte ich herausfinden, wieviel er weiß.«
»Etwas muß er wissen, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, woher. Wir nennen uns nicht umsonst Anonyme Phantasieprodukte.« Emmelia betrachtete ihn skeptisch. »Immerhin war das bisher das Geheimnis unseres Erfolges. Das größte Hindernis ist bei uns ja immer, daß wir uns an den sexuell verunsicherten Käufer wenden.«
»In der Tat? Aufgrund dessen, was ich gesehen habe, hätte ich genau das Gegenteil vermutet. Wer sich diesen Gürtel mit dem Klistierzusatz umschnallt, muß für meine Begriffe Nerven wie Drahtseile haben.«
»Mit sexuell verunsichert meine ich, daß die Leute introvertiert sind. Sie sind oft viel zu gehemmt, um in einen Laden für Sexartikel zu gehen oder sich das Zeug mit der Post schicken zu lassen.«
Emmelia hatte dafür volles Verständnis, schwieg aber. »Was diese Leute wollen, ist die Möglichkeit, unsere Produkte zu kaufen, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen. Und genau diesen Wunsch erfüllen wir. Wir garantieren völlige Anonymität.«
»Aber die eigene offenbar nicht.«
»Soweit ich weiß, schon«, sagte Frederick. »Wir inserieren auf dem üblichen Weg und verschicken per Postversand, der über ein Büro in London läuft. Die gesamte Kommunikation zwischen diesem Büro und der Versandabteilung in der Fabrik wird per Computer kodiert, so daß nicht einmal die Mädchen in London wissen, daß sie es mit Buscott zu tun haben.« Emmelia lehnte sich zurück, schloß die Augen und hörte sichtlich uninteressiert zu. Zumindest wurde Frederick dem angestammten Ruf der Petrefacts gerecht, sich im Hintergrund zu halten, und das war immerhin mehr, als man von seinem gräßlichen Vater behaupten konnte. Während vor ihr das bizarre Bild von Lord Petrefact in einem thermalen Keuschheitsgürtel mit Klistiervarianten auftauchte, hörte sie Frederick mit halbem Ohr über Zustellungswege referieren.
»... und wenn es in der Nähe einen größeren Bahnhof mit Gepäckaufbewahrung gibt, deponieren wir das Päckchen dort und schicken den Abholzettel vom nächsten Briefkasten aus an den Klienten, so daß es unmöglich ist, unsere Spur zurückzuverfolgen. Das
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