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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Fragen gestellt, die sie nur damit beantworten konnte, daß sie weinte und sagte, sie wisse es nicht. Hatte Willy irgendwelche Feinde? Rosie bestritt das. Aber jemand hat ihn getötet, Mrs. Coppett, also kann das doch nicht stimmen, oder? Rosie wußte nicht, daß Willy getötet worden war. ermordet, Mrs. Coppett, ermordet. Dieses Wort machte kaum Eindruck auf Rosie. Willy war tot. Nie wieder würde sie das Abendessen für ihn richten oder ihn wütend erleben, weil sie Blondie ins Gemüsebeet gelassen hatte. Nie wieder würden sie am Sonntagnachmittag Spazierengehen. Und nie wieder konnte sie ihm am Zeitungskiosk an der Ecke Postkarten mit niedlichen Pelztierchen kaufen. Nie, nie wieder.
    Die Gewißheit kam und ging und kehrte jedesmal heftiger zurück. Die Fragen, die man ihr stellte, hatten nichts mit dieser schrecklichen Erkenntnis zu tun. Sie beantwortete sie fast unbewußt. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie ihn zuletzt gesehen hatte. War es Montag oder Dienstag oder MittwochMrs. Coppett? Aber die Zeit spielte ebensowenig eine Rolle wie die Art und Weise, auf die Willy umgekommen war. Der einzige Gedanke, den sie in ihrer Beschränktheit fassen konnte, war die Aussicht auf eine Ewigkeit ohne Willy.
    Inspektor Garnet betrachtete sie eingehend über den Tisch hinweg und versuchte, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob er es mit einer dummen, aber unschuldigen Frau zu tun hatte, einer dummen und schuldigen oder einer Frau, deren Dummheit nur List war und die instinktiv wußte, wie sie ihre Schuld hinter einer Fassade geistlosen Kummers verbergen konnte. Eine lange Laufbahn als Detektiv und ein kurzer Lehrgang in Kriminologie hatten ihn dahingehend beeinflußt, daß er alle Verbrecher, und ganz besonders Gattenmörder, für beschränkt, emotional instabil und zumindest partiell schlau hielt. Beschränkt mußten sie sein, wenn sie ernsthaft glaubten, gegen das Gesetz verstoßen zu können und damit durchzukommen; emotional instabil, um in der Lage zu sein, derart gewalttätige Verbrechen zu begehen; und in gewisser Weise schlau, weil die Quote unaufgeklärter Verbrechen trotz zunehmend brillanter Nachforschungsarbeit der Polizei anstieg.
    Nachdem sich der Inspektor Willys fürchterliche Verletzungen angesehen hatte, war für ihn jeder Zweifel ausgeschlossen, daß er es mit einem Verbrechen aus Leidenschaft zu tun hatte. In Buscott gab es nichts, was einen Anreiz für Gangster oder organisierte Banden hätte bieten können. Und aufgrund des vorläufigen Berichts der Gerichtsmedizin schied die Möglichkeit aus, daß Willy sexuell mißbraucht worden war. Nein, alles deutete auf einen ganz gewöhnlichen, wenn auch abscheulichen Mord aus persönlichen Motiven hin. Immerhin war Mrs. Coppett eine ausnehmend kräftige Frau, während ihr verstorbener Mann extrem klein gewesen war. Auch nach dem Motiv brauchte der Inspektor nicht lange zu suchen. Ein Motiv lieferte der Zwergenwuchs des Toten, ein anderes sein allgemein bekannter Jähzorn. Dazu kam noch die Tatsache, daß Mrs. Coppett sich erst dann die Mühe gemacht hatte, ihren Mann als vermißt zu melden, als er bereits gefunden worden war. Das wies auf eine gewisse Schläue ihrerseits hin, die durch ihre Weigerung, seine Fragen rundheraus zu beantworten, bestätigt wurde. Ganz besonders irritierte es den Inspektor, daß sie nicht in der Lage war anzugeben, wann der Tote das Haus verlassen hatte, falls das vor seinem Tod überhaupt der Fall war.
    Während Inspektor Garnet sein unergiebiges Verhör bis in die Nacht hinein fortsetzte, statteten andere Kriminalbeamte der Rabbitry Road 9 einen Besuch ab. Sie machten sich Notizen über Rosies Vorliebe für Freistilringer und Männer mit all jenen physischen Merkmalen, an denen es ihrem verstorbenen Mann so auffallend fehlte, holten Yapps Hemd von der Wäscheleine und untersuchten den Flecken, machten sich weitere Notizen über Willys Wiege und Yapps ungemachtes Bett und gelangten mit Hilfe der bereitwilligen Unterstützung der Nachbarn zu völlig falschen Schlüssen.
    Mit diesem neuen Beweismaterial kehrten sie zur Polizeiwache zurück und berieten sich mit dem Inspektor. »Ein Professor hat also dort gewohnt?« fragte er. »Wieso das denn, zum Teufel?«
    »Keine Ahnung. Von den Nachbarn wußte es auch niemand, aber ein paar haben übereinstimmend ausgesagt, daß sie am Dienstag abend gesehen haben, wie sich Mrs. Coppett und dieser Kerl auf dem Treppenabsatz umarmt und geküßt haben. Und das alte Mädchen von nebenan

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